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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 210)

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gewiss sei und dass ungleich größere Vortheile, als sie durch die künst- 
liche Schaffung eines Marktes zu erzielen waren, durch eine natürliche 
Ausdehnung desselben mittelst der Beseitigung aller Verkehrsschranken 
gewonnen werden konnte. Diese Gedanken traten im Physiokratismus des 
x8. Jahrhunderts zum erstenmal in einigem Zusammenhange auf, in der 
Zeit einer allgemeinen tiefgehenden Bewegung der Geister, welche gegen 
die herrschende Politik, gegen den Druck des Feudalsystems und der 
polizeilichen Bevormundung gerichtet war, und sich in den Idealen 
eines natürlichen Zustandes der menschlichen Gesellschaft bewegte. 
Dieser Auffassung war der Mercantilismus verhasst, weil er zu Gunsten 
der Staatsgewalt und der herrschenden Classen besonders die Bodenpro- 
duction aussog; und er galt für unhaltbar, weil er nur auf Uebervor- 
theilung anderer Völker abzielte, während doch nur jene Quellen des 
Reichthums sicher sein können, die ein Volk selbst besitzt. Indem nun 
die Physiokratie ihrerseits sich der Untersuchung dieser Quellen zuwendete, 
glaubte sie zu finden, dass Arbeit und Capital immer nur so viel ertragen, 
als sie brauchen, dass aber Ueberschüsse nur Ivon der Bewirthschaftung 
des Bodens zu gewinnen sind. Und darin kann doch allein ein Zuwachs 
zum Reichthum gefunden werden. S0 hat der Physiokratismus wieder 
die innere Wirthschaft des Volkes als Quelle seines Reichthums in's 
Licht gestellt, welche der Mercantilismus vernachlässigt hatte. Aber eine 
einfache Negation des Mercantilismus ist er keineswegs, vielmehr lässt 
sich eine Gemeinsamkeit des Grundgedankens auffinden, wenn derselbe 
auch in den nationalökonomischen Vorstellungen jener Zeit noch keines- 
wegs klar ist. In ihrem Suchen nach den für den Nationalreichthum 
vortheilhaftesten Productionszweigen sind beide von dem Gedanken geleitet, 
den wir heute das Gesetz der Staaten nennen, dass die Gewinne in 
einem Productionszweige um so größere seien, je größer sein Productions- 
und Absatzvortheil. Nun verstand das Jedes in seiner Weise und zu 
einer Einfügung dieses Gedankens in ihr nationalökonomisches System 
brachte es weder das Eine noch das Andere. Vielleicht erklärt sich auch 
gerade durch eine solche Gemeinsamkeit einer nationalökonomischen 
Grundvorstellung die Erscheinung, dass Mercantilismus und Physiokratie 
neben einander bis auf den heutigen Tag sich lebendig erhalten haben; 
sie sind denn eben beide nicht einfach als Irrthürner zu bezeichnen, 
sondern nur als einseitige Entwicklung einer im Wesentlichen richtigen 
Grundanschauung. Und dieses Urtheil findet eine gewisse Bestätigung in 
der folgenden Entwicklung der Nationalökonomie durch Adam _Smith. 
Er fasste die vorhandenen Elemente volkswirthschaftlicher Einsicht zu- 
sammen und führte sie auf ein höheres allgemeines Princip zurück, auf 
die Productivität der Arbeit überhaupt, mochte sie sich in Industrie und 
Handel, oder in der Landwirthschaft, im innern oder im auswärtigen 
Verkehr bethätigen. Um das Volk aber durch Arbeit zu bereichern, muss 
die Selbstverantwortlichkeit für den wirthschaftlichen Erfolg und eine
	        
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