Würde der Adel als ergiebiger Besteller auf Kunstverglasungen
auftreten, dann würde auch für Wappenschildereien iene erfreuliche Nach-
frage sich einstellen, die deren Pflege über die Liebhaberei des Glas-
malers, verständnissvoller Kunstfreunde und Kritiker erhebend, sie zum
dankbarsten Arheitsfelde machen würde. Doch auch dies Kunstgewerbe
empfängt das Gros seiner Aufträge von der begüterten Classe des Mittel-
standes, den Kaufherren und Industriellen, den pracht- und kunstliebenden
Magnaten mobiler Vermögen.
Man muss noch Eins sagen: Der Verfasser des Aufsatzes der uAb-
wege der Glasmalerei-t denkt, wo er von den vzahllosen Vorbildern alter
Glasmalereiu spricht - was ich nur für die alten Prunk- und Festschei-
ben als wzahlreichu gelten lassen kann, aber keineswegs für complete
Kunstverglasungen ganzer Fenster, wofür nur ein paar Dutzend Bei-
spiele aufzuzählen schwierig fallen dürfte - vorwiegend an diese, ohne
zu fragen, was ein solches Prachtstück edelster Glasmalerei kostet, wie
viele solches zahlen? Wer zwei complete Fenster eines Speisezimmers
für nur 150-200 fl. in Glasmalerei haben will, am liebsten noch billiger,
aber desto reicher und schöner, der zahlt nicht ebensoviel und mehr
für ein Stückchen Glasmalerei, das kaum einen Oberflügel ausfüllt. Für
die Gesammtstimrnurig des Raumes durch das Fenster ist es aber auch
wichtiger die ganze Lichtöifnung mit sonnigen, zarten Tongläsern in
einfach geometrischen Netzwerken oder Butzenscheiben, umsäumt von
buntem Bande zu schließen, als in das öde Nichts blanker Scheiben ein,
zwei Wappenschildereien, und wären sie der erlesensten eine, mit ihrem
glühenden Farbenleben zu verbannen.
Unvergesslich bleibt in meinen vielen Erinnerungen an alte Glas-
malereien der Kreuzgang des Klosters Wettingen, den das erste Museum
für schweizerische Cabinets-Malerei zu nennen ich nicht anstehe. Da sind
sie zu Dutzenden aus der [Glanzperiode von 1510 - 1580, jedes ein Cabi-
netsstück. Und man lese da, oder in der Bibliothek und im Rathssaal von
Arau und anderswo: Diese Scheiben sind Festgeschenke. welche Prälaten
und Magistrate, große und reiche Herren und Zünfte einander zu machen
nicht zu gering hielten.
Wer zahlt heute eine solche Glasscheibe wie einen Pocal, ein Album
nach Hunderten? -- .
Man lernt aber noch etwas aus diesen alten köstlichen Scheiben: sie
waren aus der Zeit und für die Zeit erfunden, Denkmäler der Haus-,
der Stadt-, der Welt- und heiligen Geschichte, oft alles in capriciosem
Wechsel durcheinander, volYReligion, die classisch mythologisirt, welche
die Thaten und Leiden der Profangeschichte biblisch illustrirt und anti-
thesirt, voll geselligem Leben, voll Lustigkeit, voll Festfreude.
Führt wieder den unendlichen wechselreichen Inhalt des Lebens, des
individuellen oder des allgemeineren, in den kleinen Fensterrahmen und
Ihr braucht Euch von fremden Costümherren und -Damen nicht den