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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 211)

Würde der Adel als ergiebiger Besteller auf Kunstverglasungen 
auftreten, dann würde auch für Wappenschildereien iene erfreuliche Nach- 
frage sich einstellen, die deren Pflege über die Liebhaberei des Glas- 
malers, verständnissvoller Kunstfreunde und Kritiker erhebend, sie zum 
dankbarsten Arheitsfelde machen würde. Doch auch dies Kunstgewerbe 
empfängt das Gros seiner Aufträge von der begüterten Classe des Mittel- 
standes, den Kaufherren und Industriellen, den pracht- und kunstliebenden 
Magnaten mobiler Vermögen. 
Man muss noch Eins sagen: Der Verfasser des Aufsatzes der uAb- 
wege der Glasmalerei-t denkt, wo er von den vzahllosen Vorbildern alter 
Glasmalereiu spricht - was ich nur für die alten Prunk- und Festschei- 
ben als wzahlreichu gelten lassen kann, aber keineswegs für complete 
Kunstverglasungen ganzer Fenster, wofür nur ein paar Dutzend Bei- 
spiele aufzuzählen schwierig fallen dürfte - vorwiegend an diese, ohne 
zu fragen, was ein solches Prachtstück edelster Glasmalerei kostet, wie 
viele solches zahlen? Wer zwei complete Fenster eines Speisezimmers 
für nur 150-200 fl. in Glasmalerei haben will, am liebsten noch billiger, 
aber desto reicher und schöner, der zahlt nicht ebensoviel und mehr 
für ein Stückchen Glasmalerei, das kaum einen Oberflügel ausfüllt. Für 
die Gesammtstimrnurig des Raumes durch das Fenster ist es aber auch 
wichtiger die ganze Lichtöifnung mit sonnigen, zarten Tongläsern in 
einfach geometrischen Netzwerken oder Butzenscheiben, umsäumt von 
buntem Bande zu schließen, als in das öde Nichts blanker Scheiben ein, 
zwei Wappenschildereien, und wären sie der erlesensten eine, mit ihrem 
glühenden Farbenleben zu verbannen. 
Unvergesslich bleibt in meinen vielen Erinnerungen an alte Glas- 
malereien der Kreuzgang des Klosters Wettingen, den das erste Museum 
für schweizerische Cabinets-Malerei zu nennen ich nicht anstehe. Da sind 
sie zu Dutzenden aus der [Glanzperiode von 1510 - 1580, jedes ein Cabi- 
netsstück. Und man lese da, oder in der Bibliothek und im Rathssaal von 
Arau und anderswo: Diese Scheiben sind Festgeschenke. welche Prälaten 
und Magistrate, große und reiche Herren und Zünfte einander zu machen 
nicht zu gering hielten. 
Wer zahlt heute eine solche Glasscheibe wie einen Pocal, ein Album 
nach Hunderten? -- . 
Man lernt aber noch etwas aus diesen alten köstlichen Scheiben: sie 
waren aus der Zeit und für die Zeit erfunden, Denkmäler der Haus-, 
der Stadt-, der Welt- und heiligen Geschichte, oft alles in capriciosem 
Wechsel durcheinander, volYReligion, die classisch mythologisirt, welche 
die Thaten und Leiden der Profangeschichte biblisch illustrirt und anti- 
thesirt, voll geselligem Leben, voll Lustigkeit, voll Festfreude. 
Führt wieder den unendlichen wechselreichen Inhalt des Lebens, des 
individuellen oder des allgemeineren, in den kleinen Fensterrahmen und 
Ihr braucht Euch von fremden Costümherren und -Damen nicht den
	        
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