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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 211)

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Appetit verderben zu lassen, wenn sie Euch indilferent oder sentimental 
in die Schüssel schauen. Wen diese Gesellschaft genirt, der wird sie 
nicht zu Gaste laden, d. h. nicht bestellen. 
vHarmonieu, ein schönes Wort, auch für Glasmalerei, auch noth- 
wendig, wenn ihr Werk vollendet sein soll. Man darf nur nicht vergessen, 
dass Glasmalerei keine zahme, sanfte, gedämpfte Harmonie kennt, wie 
etwa stilvolle Gewebe, ihre Harmonie zittert und glüht und sprüht ein 
lebendiges Feuer auf ernstbewegtem Grunde. - Ich bin überzeugt, dass 
diese Harmonie Wenige verstehen und genießen. 
Wie soll ein Badezimmer, das im Rez de chausse liegt, nicht in einem 
Ringstraßen-Palast, wo man eine anständige Leiter brauchte, hinaufzu- 
steigen. sondern in einer Villa, in deren ebenerdige Fenster man bequem 
hinein blicken kann, glasmalerisch geschmückt werden? 
Mit Fenstern in Art jener der Laurenziana, der Certosa? Sollen 
die Fenster eines Badezimmers einen öffnenden oder abschließenden Cha- 
rakter haben? Es ist ein Versuch gemacht worden in den Fenstern und 
der Thlire für das Badezimmer des Grafen Raczynski: sollten die etwa 
grün sein? - Vielleicht weil von rauchblauem Grunde sich Wasserpflan- 
zen abheben, die nicht rosenroth, sondern 'grün sind in einer reichen 
harmonischen Tonfolge, die das Saftige Laubwerk des Sommers mit 
dem brandig vergilbten des Herbstes mischt, worunter Nixen, Elfen und 
glänzend befiederten Vögeln so wohl ist. 
Erschreckt das gebrochene Licht; verwirrt der reichere Inhalt auf 
ernstem Grunde? Vermag das ewige Einerlei des Rautennetzes oder die 
Arabeske den ruhig Badenden so anzuregen, als diese träumerische Flora, 
diese silberglänzenden Schwäne, der goldene Königstaucher oder der 
kokette rosige Flamingo? Ist es poetischer stilisirte Rosen auf Batzen- 
scheiben zu werfen oder aus den Kelchen der Seerosen die kindlichen 
Blumenseelen aufsprießen zu lassen; liebst Du mehr die ornamentalen 
Delphine und wären sie die eleganteste italienische Renaissance, oder sie als 
Naturgebilde, etwas ideell geformt und gefärbt, gebändigt von Puttlen, 
der menschlichen Kraft? 
Soll der Reiz des Meeres Dich nicht bezaubern, die Nixe Dir nicht 
singen? 
Es ist ein lnhalt, der weit über die conventionelle Decorations- 
weise im Fenster des Hauses hinausgeht; wofür wirklich kein altes Glas 
als Vertheidiger aufsteht; es verzichtet darauf, es vertheidigt sich durch 
seine Existenz. Singt ein Chor von Fünfhundert, spielen Hundert im Orche- 
ster, die Fülle schadet nicht, wenn nur Alles in Harmonie singt und klingt. 
Unsere Kunstgewerbe und seine Kritiker sind so sehr gewohnt, 
sich immerfort mit alten Beispielen zu legitimiren, wie Philologen es mit 
jeder grammatischen Erscheinung zu thun lieben, dass sie etwas Neues 
nicht erfassen können und es deshalb mit einem "zu viele abweisen.
	        
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