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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 211)

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Wie einfach wäre es gewesen, auch diese Fenster nach dem Auf- 
trage jener schönen Dame auszuführen, die sich nicht grüne, nicht blaue 
- sondern rosenrothe Fenster für ihr Badezimmer bestellte. 
Innsbruck, Februar 1885. Dr. A. Jele. 
 
Vorlesungen im Museum. 
Am .'28. December 1882. hielt Prof. Dr. W. Gurlitt von der Universität Graz 
einen Vortrag i-über griechische Malereic. 
Nach Zurückweisung der weitverbreiteten Ansicht. als ob die Malerei in der 
Kunstübung der Griechen zurückgetreten sei, fragte der Vortragende, welche Mittel wir 
haben, um uns die Werke der großen Maler zu veranschaulichen? Es wurde dann durch 
eine Charakterisirung der erhaltenen Werke der Wand- und Vasenmalerei nachgewiesen, 
dass die bemalten Gefäße nur etwa bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts den Fortschritten 
der großen Kunst folgen können. 'die Masse der Wandgemälde aber als letzte Ausläufer 
einer Kunst zu betrachten sind, welche ihren Kreislauf bereits vollendet hat. Um es nun 
wahrscheinlich zu machen, dass wir uns auch heute noch an gleichwerthigeo Mo- 
numenten wenigstens eine Vorstellung von der Wirkung antiker Gemälde bilden können, 
wurde bei einem kurzen Ueberbliclt über die Entwicklung der griechischen Malerei von 
ihren Anfängen his zu ihrem Höhepunkt der Hauptnachdruck auf den Nachweis gelegt, 
dass seit der Mitte des 5. Jahrhunderts die Malerei in der Stolfwahl der gleichzeitigen 
Plastik voraus ist, dass z. B. Zeuxis und Parrhasios vor Skopas und Praxiteles pathe- 
tische, die sikyonische Schule vor Lysippos realistische Motive darstellt, dass überhaupt 
die für die hellenistische Plastik charakteristischen Vorwürfe vnn den Malern des 5. und 
4. Jahrhunderts vorgebildet sind. Wenn auch bei den genannten originalen Bildhauern 
nur eine Beeinflussung durch die gleichen Geistesstromungen und Zeitrichtungen ange- 
nommen werden kann, so stellt sich die Frage sofort anders, wenn wir zu den Künstlern 
der pergamenisch-rhodischcn Schule oder zu Werken fortschreiten, welche aus derselben 
Zeit stammen. Einstimmig gibt das Alterthum jenen Männern das Zeugniss großen tech- 
nischen Könnens. versagt ihnen aber den Ruhm eigener Erfindungsgabe. Wir werden 
also hier in der That berechtigt sein, von der Gleichheit des Stoffes aus weitere Schlüsse 
zu ziehen und anzunehrnen, dass die betreßenden Werke von Gemälden inspirirt seien. 
Ausgehend von Reliefs mit malerisch, d. h. bildmaßig behandeltem Hintergrund (Orpheus- 
relief in Juce Blundell Hall. Reliefs Ludovisi ac. Spada) ging der Vortragende zu Werken 
der Rundplastik über (Gruppe des Prometheus und Herakles aus Pergamon, Einzelfiguren, 
wie die schlafende Ariadne, Hercules Farnese u. s. w" welche nur als Bestandtheile von 
Gemälden verständlich sind), um mit den Gruppen des farnesischen Stieres und des Lao- 
koon zu schließen. Für beide wurde eine Ahnenreihe aus Werken der malerischen Technik 
aufgestellt und das Verdienst der Bildhauer auf die vollendete, plastische Ausgestaltung 
von in Gemälden vorgebildeten Motiven beschränkt und zugleich betont, dass solche Mo- 
numente uns einen sprechenderen Begritf von der Wirkung antiker Gemälde vermitteln 
können, als Vasen und Wandmalereien. 
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Ueber udie Entwicklung der Schrift: hielt am 25. Janner d. J. Prof. Dr. Mühl- 
bacher einen Vortrag, in welchem er - anknüpfend an ein vor Kurzem verötfent- 
lichtes Schreiben des deutschen Reichskanzlers, das sich in schärfster Weise gegen den 
Druck deutscher Bücher mit lateinischen Lettern ausspricht - darauf hinweist, dass die 
sogenannte deutsche Schrift, welche sich jetzt allerdings auf das deutsche Sprachgebiet 
beschränkt ohne es noch ausschließlich zu beherrschen, nicht ursprünglich eir. nationales 
Gepräge trage, sondern nur ein späteres Entwicklungsstadium der sagen. lateinischen 
Schrift darstelle. Zwei Grundgesetze sind für die Entwicklung der Schrift maßgebend: 
die Deutlichkeit des Geschriebenen. die Raschheit des Schreibens; dazu tritt als mich- 
tiger Factor der Einßuss des Schreibmaterials auf die Gestaltung der Buchstabcnformen. 
Wie die Cultur, so haben die Deutschen auch die Schrift von den Romern über- 
nommen, welche sie von den Griechen gelernt hatten, wie die Griechen von den Pho- 
niciern, die Phdnicier von den Aegyptern. Das älteste Schreibmaterial der Römer ist 
Stein und Metall, ihre älteste Schrift ist daher durch die gerade Linie charakterisirt, die 
sich in ihrer Weiterbildung in gewissen Buchstaben rundet. Es ist die sogen. große la- 
teinische Schrift (Capitale), welche auch jetzt noch die monumentale Schrift geblieben 
ist. Das Streben nach rascherer Darstellung führt zur Rundung und damit Vereinfachung
	        
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