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weiterer Buchstaben (Unziale): der aus Aegypten importirte Papyrus und das aus dern
-Orient stammende Pergament bieten eine weichere Grundlage. Noch sind die Buchstaben
von einander getrennt, ieder ist für sich selbständig; sie bewegen sich innerhalb zweier
Linien (Maiuskel. Großbuchstaben). Diese Schrift genügt nicht dem raschen Bedarf des
täglichen Lebens , des entwickelten Geschaftsverkehrs. S0 entwickelt sich aus der Ma-
juskel eine neue Schriftart, welche die Trennung der Buchstaben aufhebt und diese mit
einander verbindet, die cursive; sie vereinfacht zugleich die Buchstaben, bildet ihre cha-
rakteristischen Theile aus und führt das Schema der vier Linien (kleine Buchstaben) ein.
Diese Schriften übernimmt das Mittelalter. Aus der römischen Cursive entstehen
nationale Abarten in Italien; hier lindet sie in Montecasino ihre kalligraphische Ausbil-
dung und in der älteren päpstlichen Kanzlei, weitere Verwendung in Frankreich, in Spa-
nien, auf anderer Grundlage in England. Die Buchstaben verzerren sich, die Worte sind
nicht getrennt, lnterpunction und Sprache verwildert. Neben diesen Nationalschriften und
selbst neben der Maiuskel führt eine Uebergangsschrift ein ziemlich klagliches Dasein;
sie hat das System der vier Linien von der Cursive übernommen, aber von dieser auch
noch mancherlei Buchstabenverbindungen, welche die Deutlichkeit beeinträchtigen; es
finden sich alle Formen der kleinen lateinischen Buchstaben, aber mit Majuskeln vermischt.
Die Culturbestrebungen KarPs des Großen haben auch eine Reform der Schrift im
Gefolge; die Ausdehnung der Herrschaft der Karolinger verschatTt derselben auch all-
gemeine Geltung; die karolingische Minuskel verdrängte endlich auch die Reste der
Nationalschriften. Sie entfernt die cursiven Buchstabenverbindungen und stellt die Buch-
staben selbständig; sie gibt, an die besten Muster der Uebergangsschrift sich anschließend,
jedem Buchstaben die bestimmte deutliche Form - es ist unsere sogen. kleine latei-
nische Schrift. Die beiden nächsten Jahrhunderte entwickeln sie kalligraphisch weiter;
die Worttrennung wird vollständig durchgeführt, die lnterpunction geregelt, die Schrift
wird immer regelmäßiger. Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht die Minuskel im
iz. Jahrhundert.
Schon im nächsten Jahrhundert beginnt eine neue Abart sich einzubürgern, die
bis zum Ende des Mittelalters die Schönschrift bleibt und namentlich für Prachthand-
schriften Verwendung findet. die gothische Schrift; sie charakterisirt sich vor Allem
durch Brechung der geraden Linie und die Ornamentirung des Buchstabens. Sie ist. als
der Buchdruck erfunden wird, die herrschende Schrift, nach ihr werden die Lettern ge-
schnitten, es ist unsere deutsche Druckschrift, anfangs die allgemein übliche sowohl in
den romanischen Lindern, wie für nichtdeutsche Werke. Die Humanisten gehen auf
bessere. ältere Handschriften zurück, sie übernehmen auch ihre Schrift als Muster; nach
Handschriften des n. Jahrhs. werden die sagen. lateinischen Lettern geformt. Neben
der Bücherschrift entwickelt sich, aus dieser hervurgehend und von ihrer Fortbildung
beeinßusst, für den rascheren Bedarf eine Geschäftsschrift (Minuskelcursiv); es wird sehr
viel geschrieben, im Papier ist nun ein billigerer Schreibstoff gegeben. Man verbindet
wieder die einzelnen Buchstaben, zur Herstellung dieser Verbindung werden die Ober-
und Unterlangen verschleift oder einzelne Buchstabentheile umgestaltet. So bildet sich
die Schrift, die wir im wesentlichen auch noch jetzt schreiben, die lateinische nach al-
terem, die deutsche nach gothischem Muster. Beide sind nur die cursiven Variationen
der Druckschrift. Die lateinische und deutsche Schrift selbst repräsentiren nur zwei ver-
schiedene Entwicklungsepochen ein und derselben Schrift.
Literaturbericht.
Karl Strele, Handbuch der Porzellan- und Glasmalerei. Vierte, gänzlich
neu bearbeitete Auflage, herausgeg. von Dr. Emil Tscheuschner.
Weimar, Bernhard Friedrich Voigt, 1883. 220 Seiten 8.
Der Einhundert und seehsundvierzigste Band von Voigts -Neuer Schauplatz der
Künste und Handwerke: tritt uns hier abermals. in einer Neugestaltung und nicht unbe-
deutend vermehrt, vor Augen. Ueberilussig wäre es, hier erst über den ursprünglichen
Grundstock des Werkchens, jenen Theil von Brongniarfs: Traite des arts ceramiques etc..
welcher vom Decoriren keramischer Objecte handelt, besonders zu sprechen. Erwähnt sei
hier nur, dass der Herausgeber die von Strele in der dritten Auflage weggelnssenen An-
gaben Brongniarfs über Starkfeuerfarben in die vorliegende vierte Auflage aufgenommen
und dadurch dem Werkchen wesentlich genutzt hat. Bedauerlich ist hingegen, dass offen-
bare lrrthümer und Unrichtigkeiten der dritten Auflage, zu welchen den Verfasser wohl
mangelhafte Quellen veranlassten, in der vierten nicht ausgemerzt wurden. Derlei Mangel