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Auch die Landschaft ist durch Lichtenfels, Darnaut, Schindler und
Russ sehr gut vertreten. Unter den Aquarellisten nimmt, außer Rudolf
Alt, Ludwig Passini einen ganz hervorragenden Platz ein, ja dem letz-
tern gebührt unter den österreichischen Künstlern vielleicht die erste Stelle.
Bei ihm zeigt es sich ganz deutlich, dass es nicht auf das Fachankömmt,
welches sich ein Künstler gewählt hat. Es scheint mir zweifellos, dass
Passini das bedeutendste und gesündeste Talent ist, welches sich unter
seinen Fachgenossen und den deutschen Künstlern findet.
Besonders gut vertreten ist die religiöse Kunst. Die Cartons von
Michael Rieser und Matthias Trenkwald gereichen beiden Künstlern
zu großer Ehre. Die Zahl der ausgestellten Cartons ist eben auch groß
genug, um das Publicum über die Eigenart der beiden durch Talent und
Charakter ausgezeichneten Künstler zu orientiren. Die Glasmalerei-
Anstalten von Geyling in Wien und Jele in Innsbruck können sich Glück
wünschen, dass ihnen Künstler wie die Genannten zur Verfügung stehen.
Altmeister Steinle hat eine aquarellirte Zeichnung, Daniel als Richter,
ausgestellt, vornehm gedacht und vorzüglich ausgeführt. Alois Schönn's
nSerajewo von der lateinischen Brücke aus gesehen-c ist eines der hervor-
ragendsten Bilder, welche dieser Künstler in den letzten Jahren gebracht
hat. Die religiöse Richtung ist außerdem durch den Bildhauer Erler und
durch den Maler Ludwig Mayer vertreten. Schade, dass der letztere
Künstler so wenig beschäftigt wird. Ein Kirchenbild, welches dem Auf-
trag eines Kirchenfürsten entsprungen wäre, ist auf der Ausstellung nicht
zu finden; ebenso vermissen wir ein vaterländisches Geschichtsbild von
Bedeutung, welches einem öffentlichen Auftrage sein Entstehen verdankte.
Die Mannigfaltigkeit der vertretenen Fächer und der Richtungen
trägt dazu bei, dass die heutige Ausstellung einen angenehmen Eindruck
macht. Ihrer Originalität halber machen die Arbeiten des Bildhauers
Straßer und des Malers Hans Schwaiger einiges Aufsehen. Die Bild-
hauerei ist durch einige hervorragende Künstler vertreten, vor Allem
durch Tilgner, Kundmann, Benk, Silbernagel, Otto König, Scharf, Schmidt-
gruber, Beyer, Schwertzek u. A. Mit besonderem Vergnügen bemerken
wir die glückliche Behandlung des Laaser Marmors auf dieser Ausstellung.
Dass bei den Bronzen die Gießer und Ciseleure nicht genannt sind,
ist bedauerlich. Unter den Graphikern nimmt diesmal Ludwig Michalek
einen angesehenen Platz ein. Das Ausland und die österreichischen Erb-
länder treten heuer in den Hintergrund. Der Katalog ist, wie immer,
nicht mit der wünschenswerthen Genauigkeit und Vollständigkeit abgefasst.
Wir müssen uns mit diesen Zeilen begnügen, da eine ausführliche
Besprechung nicht dem Zweck dieses Organes entspricht. Die Ausstellung
ist sehr gut besucht; hotfentlich wird auch das finanzielle Resultat für
die Künstler und die Genossenschaft ein günstiges sein. Bei dieser Aus-
stellung kommen auch der ReichePsche Künstlerpreis und die Karl Ludwig-
Medaille zur Vertheilung. R. V- E-