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Statuette eines nackten Jünglings, die erste Stelle ein. Den Anblick des
herrlichen Figürchens verdankt man der Güte von Professor Phil. Zamboni,
der sich von dem im Jahre 1796 in Pompeji gefundenen Schatze kleiner Plastik
für die Zeit der Ausstellung bereitwillig getrennt hat. Kaum weniger
reizend ist eine Sandalen bindende Venus aus dem Besitze Sr. k. und k.
Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Carl Ludwig. Die Statuette
ist voll Anmuth und Leben.
Zwar nicht zahlreich, aber immerhin bedeutsam genug finden wir
mittelalterliche Bronzen in der Ausstellung vertreten. Der sogenannte
vPrager-Leuchterfußu allein wäre einen Besuch der Ausstellung werth.
Der genannte Gegenstand, eines der interessantesten Denkmäler des Bronze-
gusses christlicher Zeit, ist Eigenthum des Prager Domcapitels. In trimerem
(dreitheiligem) Typus angelegt (wie fasst alle ähnlichen Geräthe nicht
nur in der Antike, sondern auch in der christlichen Kunst des Mittel-
alters bis zur Gothik), zeigt sich der Leuchterfuß zusammengesetzt aus
Einer großen Anzahl von Drachenfiguren, auf und zwischen welchen an
symetrischen Stellen menschliche Gestalten angebracht sind. Ihr Costüm
weist auf spätrömische oder karolingische Zeit. Der letzteren mag das
interessante Object wohl angehören, dessen genaue Bestimmung bisher
noch nicht gelungen ist. Der Tradition zufolge wurde der Leuchter im
XII. Jahrhundert aus Mailand nach Prag gebracht. In Mailand soll er als
Leuchter aus dern Tempel zu Jerusalem gegolten haben. Die Drachen-
verschlingungen weisen wohl nicht nach dem Orient.
Einen hervorragenden Platz unter den Bronzen des Mittelalters ver-
dient gewiss auch die wRotulau aus dem Stiftsschatze zu Kremsmünster,
ein vielgereistes Object. Sie zierte schon die Wiener Weltausstellung und
nahm einen hervorragenden Platz ein unter_ "unserer Väter Werke- auf
der Münchener Glaspalast-Ausstellung des Jahres 1876. Die Literatur hat
sich mehrfach mit ihr beschäftigt, ohne dass man über Vermuthungen
bezüglich ihres Gebrauches hinausgekornmen wäre. Sie mag als Vortrage-
kreuz gedient haben oder (wie Prof. A. W. Neumann vermuthet) als
Wedel. Hier ist weder Gelegenheit, noch Raum, eingehend von der Sache
zu handeln. Angedeutet sei nur, dass sich in der griechischen Kirche
ähnliche Gegenstände (die Rhipidia) erhalten haben.
Noch seien einige mittelalterliche Bronzen genannt, die ein literarisch
unbescholtenes Leben aufzuweisen haben; so ein mit Grubenemail und
bunten Steinen verziertes, wohlerhaltenes Weihrauchschiifchen, welches
Graf Gundaker Wurmbrand nachträglich zur Ausstellung gebracht hat,
und einige interessante Leuchterchen und früh-mittelalterliche Christus-
Figlirchen aus dem Besitze des Herrn Sectionsrathes G. von Gözsy.
Von hoher technischer Vollendung und äußerst geschmackvoller
Erscheinung sind drei kreisrunde Beschläge aus dem Besitze des Fürsten
Joh. Liechtenstein. Es sind unzweifelhaft Buchbeschläge aus dem XIII.
Jahrhunderte. Zwei ganz ähnliche Stücke, welche noch auf einem Buch-
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