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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 216)

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ziffermäßige Belege, immer mehr als volkswirthschaftliche und handels- 
politische Hauptstadt des ganzen Deutschen Reiches. Der Bericht greitt 
auch weit über Berlin hinaus, und gibt über den iiberseeischen Verkehr 
des Deutschen Reiches zahlreiche Aufschlüsse. Diesmal beschränken wir 
uns, den Bericht über künstlerisch ausgeführte Möbel und 
Zimmereinrichtungen zu reproduciren, welcher den Aeltesten der 
Kaufmannschaft von derselben sachkundigen Seite zugekommen ist, welche 
sich im verflossenen Jahre abrnahnend gegen eine Abirrung ausspricht. 
Da in Wien, wie in der ganzen österreichischen Monarchie, die Ausstellungen 
von Zimmereinrichtungen im Schwunge sind, so dürfte dieser Bericht ein' 
erhöhtes Interesse haben. Es heisst S. 153 und 1541 
Auf dem Gebiet der Wohnungseinrichtung und derjenigen kunstgewerblichen Er- 
zeugnisse, welche zur Decoration dienen, geht insofern eine Veränderung vor. als sich 
sehr erkennbar eine Neigung zeigt, in den Formen nicht mehr wie bisher fast aus- 
schließlich der Renaissance des 16. Jahrhunderts zu folgen. l 
Die bis jetzt ziemlich consequent festgehaltene Beschränkung auf die Vorbilder 
dieser Epoche, welche für die Entwickelung des deutschen Kunstgewerbes der Ausgangs- 
punkt gewesen ist, von welchem aus seit einem Decennium ein vorher ungeahnter Auf- 
schwung erfolgte, liess doch insofern einer Bewegung freien Raum, als man nicht überall 
streng im Geist einer bestimmten nationalen Spielart der Renaissance componirte, son- 
dern eine Vermischung der verschiedenen Formen-Elemente derart vornahm, dass man 
in der Gesammtnnordnung der Einrichtungen sowohl wie in der Gestaltung der einzel- 
nen Gebrauchsgegenstände der uns nächstliegenden und unseren Bedürfnissen entspre- 
chenden deutschen Renaissance folgte, im Detail dagegen vielfach von den graziüsen 
italienischen und französischen Mustern sich leiten ließ. Namentlich gilt dies in Bezug 
auf die Werke des Berliner Kunstgewerbes, während in München eine nahere Anleh- 
nung auch im Detail an die alten Werke deutscher Renaissance stattfand. 
Diese bewusste Anlehnung nach einer oder der anderen Richtung hat zu Wege 
gebracht, dass eine tüchtige Technik in Behandlung des Materials und der Kunstformen 
sich entwickelte und damit ein wie es schien ganz verlorenes Gebiet zurückerobert wurde. 
Man kann auch mit Recht behaupten, dass die Renaissance des sechzehnten Jahr- 
hunderts unserem Bedürfniss durchaus entgegenkommt. Wie diese Kunst damals alle 
Schichten des Volkes durchdrang und jedem Gehrauchsgegensrand einen künstlerischen 
Ausdruck verlieh, so ist sie auch jetzt geeignet, den verschiedensten Lebensformen, den 
Reichen sowohl wie den Minderbegüterten gerecht zu werden. 
Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass diese Formen alleiniges Gesetz 
bleiben müssen, wie sie denn auch durch Aufnahme von Elementen der orientalischen Kunst 
eine bedeutsame Erweiterung schon erfahren haben. In der That liegen bereits vielfache 
Bestrebungen vor, mit Hilfe der gewonnenen großen Schulung der erfindenden und 
ausführenden Krafte nunmehr weiter zu gehen und auch der Gebiete des Barock, des 
Rococo sich zu versichern. Für Berlin sind Schlütefs ebenso graziose als maßvolle 
Barockdecorationen im lnnern des königlichen Schlosses, das Rococo der Schlosser in 
Potsdam und Charlottenburg ebenso mustergiltige als historisch berechtigte Vorbilder. 
ln dem Umstand aber, dass das Wesen dieser Kunstrichtungen auf dem Reich- 
thum der Formen, der Verwendung echter und kostbarer Materialien bei höchster tech- 
nischer und künstlerischer Vollendung beruht und eine Reduction in dieser Beziehung 
nicht erfahren kann, ohne gleich ins Magere und Dürftige zu verfallen, liegt auch die 
Grenze für ihre Verwendung. 
Eine bewusste Aufnahme des Barock und des Rococo bei reichen Einrich- 
tungen unter Zuziehung der besten Künstler und Aufwendung großer Mittel, ihre An- 
wendung in einzelnen Zweigen der Kunstindustrie, deren Material wie das Porzellan, die 
Edelmetalle den leichten bewegten Formen entgegenkommt, ist als eine Bereicherung 
der künstlerischen Ausdrucksmittel mit Sympathie zu begrüßen. 
Nicht aber kann man wünschen, dass diese Stylrichtungen im Allgemeinen für 
unsere Wohnungseinrichtungen auch nur vorübergehend zur Herrschaft gelangen. Darauf 
gerichtete glücklicherweise nur noch vereinzelte Bestrebungen, durch Zusammenstellung 
billiger und aus Surrogaten erzeugter lMobel und Einrichtungsstücke, durch Architekur- 
theile aus Stuck und Papiermache ein scheinbares Rococo dem Publikum zu impu- 
tiren, sind als verwerßich und dem kaum erblühten Kunstgewerbe schädlich zu bezeich- 
nen. Vielmehr dürfte es sich empfehlen für einfache Verhältnisse und Bedürfnisse sowohl
	        
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