genommen, und ebenso den Gedanken der Kaiserin Maria Theresia, be-
treffend die Pflege des deutschen Bürgerstandes und Fortsetzung der
Colonisationen durch fleißige deutsche Gewerbsleute und Arbeiter in
ienem Lande festgehalten haben, dann wäre Ungarn schon heutigen Tages
ein großes Industrieland. Gegenwärtig aber schwankt die ungarische
Industrie auf unsicheren Pfaden und ist in den Händen politisirender
Cavaliere und Speculanten.
Es ist ganz unbegreiflich, wie Staatsmänner die Macht der heutigen
Productionsverhältnisse so verkennen können, um zu glauben, die Bruch-
stücke alter Hausindustrie seien so stark, um mit ihrer Hilfe eine neue
nationale Industrie zu schaden. Wenn wir um der künstlerischen Ele-
mente wegen die Hausindustrie hochschätzeri, so geben wir uns keiner
Täuschung hin, dass das Verwerthen dieser künstlerischen Elemente für
Schule, Industrie und Kunst keine leichte Arbeit sei. Nur ganz hervor-
ragenden Künstlern, welche sich mit Industrie beschäftigen, kann es unter
ganz besonders günstigen Verhältnissen gelingen, einen Erfolg zu erzielen.
Der nach hergebrachter Methode gelehrte Zeichenunterricht wird mehr
den Niedergang, als die Hebung der Hausindustrie befördern. Dass es
den Castellani's gelungen ist, die alt-etrurische Goldschmiedetechnik zu
beleben, ist ein Zeugniss ihrer künstlerischen Begabung und ihres kauf-
männischen Talentes. Die russische Hausindustrie ruht auf fester, großer
nationaler Industrie einer ungebrochenen Kunstthätigkeit eines Theils der
russischen Völker. Durch Staatshilfe gelang es im Erzgebirge und in
Idria die Hausindustrie und Spitzenindustrie künstlerisch zu beleben.
Ob diese Bestrebungen von dauerndem Erfolg begleitet sein werden, hängt
wesentlich von dem Geschäftsgeist des Bürgerstandes, der in diesen Ge-
genden den Vertrieb der Spitzenindustrie übernimmt, ab. Es ist daher
die Belebung und Fructificirung der künstlerischen Motive in erster Linie
von der künstlerischen Leitung und in zweiter Linie von der Thatkraft
des Bürgerstandes abhängig, welcher in jenen Ländern wirkt, wo eine
Hausindustrie existirt. Auch Zeichenlehrer, die kaum ein künstlerisches
Vermögen besitzen, um eine Lehrerprüfung anständig durchzumachen,
reichen mit ihren Bestrebungen in der Schule nicht aus, wenn sie nicht
Hand in Hand mit dem Gewerbestande gehen.
Betrachten wir nun nach diesen allgemeinen Erwägungen die Lage
und die Bedeutung der Hausindustrie in Oesterreich. Wir sind dabei
allerdings im Widerstreit mit den meisten Nationalökonomen, welche die
Hausindustrie für einen halb oder ganz überwundenen Standpunkt im
volkswirthschaftlichen Leben ansehen und jede menschliche Arbeit nur
insofern als berechtigt anerkennen und für den Volkswohlstand als bedeu-
tend betrachten, als man sie statistisch bezilfern und in Geldwerth aus-
drücken kann. Dass bei dieser Methode der Arbeitswerth, die ethischen
und künstlerischen Factoren in den Hintergrund gedrängt werden, ist
klar. Sie hat daher nach meiner Meinung nur einen geringeren Werth.