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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 223)

Die Frage beantwortet sich unschwer. Dort, wo der Garten sich an das beherr- 
schende Wohngebäude anschließt, ist er architektonisch, regelmäßig zu halten; dort, wo 
er sich der freien Natur nähert, hat er in landschaftliche oder natürliche Art über- 
zugehen. Ist die eine oder die andere Bedingung nicht vorhanden, liegt z. B. der Garten 
mitten in der Stadt, nur von Architektur umschlossen, so kann er auch nur architek- 
tonisch gestaltet sein; liegt er draußen im freien Lande, der beherrschenden Gebaude 
ermangelnd, so tritt auch der freie Styl in sein vorwiegendes Recht ein. 
Nach diesen einleitenden, des Weiteren ausgeführten Grundgedanken, besprach 
Reg.-Rath Falke in seiner ersten Vorlesung den Garten als beherrscht von Villa, Palast 
oder Haus, also den architektonischen Theil, und erörterte die Bedingungen und Formen 
der Gestaltung für die Rasenßachen, die Blumenbeete (wobei Iauch die heute in Frage 
gestellte Teppichgartnerei berührt wurde), für Gesträuche und Baume, und sodann für das 
Wasser und die Sculptur, von denen das erstere sich ebenfalls in diesem Theile des 
Gartens einer gewissen architektonischen Ordnung fügen muss. 
in gleicher Weise behandelte er in der zweiten Vorlesung den laudwirthschaft- 
lichen Theil des Gartens, erörterte den Uebergang vom regelmäßigen Theile des Gartens 
zu dem freieren, besprach den künstlerischen Charakter der Baumarten nach Form und 
Farbe, ihre Bedeutung in Einzelstellung oder in der Gruppirung, die Führung der Wege, 
die Architektur der Luxusgebaude im Garten, sodann fließende oder stehende Gewässer, 
wie sie nach Lauf, Ufer, Buchten und Inseln zu behandeln sind. 
ln der dritten Vorlesung wurde die Anwendung der in den beiden ersten Vor- 
lesungen gewonnenen theoretischen Resultate gemacht und mit ihrer Hilfe eine Anzahl 
neuerer Garten in London, Paris, Rom, Genua und besonders in Wien selbst (Stadtpark 
und Rathhauspark) kritisirt. Dabei wurde insbesondere Rücksicht genommen auf die Ver- 
anderungen oder Abweichungen von der Regel, welche durch die localen Bedingungen 
geboten erscheinen. Dies führte zur Besprechung besonderer Garten, der Hausgärten, der 
städtischen Anlagen, besonders derjenigen auf den niedergeworfenen Festungsgründen. 
Endlich wurde noch ein Blick über den Garten hinaus gethan und auch das Wesen der 
rverschbnerten Landschaft: erörtert. 
Ein ebenso zahlreiches als distinguirtes Publicum folgte mit reger Theilnahme 
und großem Beifall den instructiven und interessanten Vorträgen, in welchen der Redner 
für die Gartenkunst die ihr nothwendige wissenschaftliche Würdigung brachte. 
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(Vortrage aber Handfertigkeitaunterrleht.) Der Leiter der Schulwerkstätte 
am Neubau, Herr Alois Bruhns, hat am 4. März im Oesterr. Museum einen Vortrag 
über wdie Geschichte des Handfertigkeitsunterrichtes und seine pädagogische Bedeutung. 
gehalten, welchem Se. kais. Hoheit, Herr Erzherzog Rainer, Abgeordneter Hallwich, 
mehrere Gemeinderäthe, Beamte und Schulmanner beiwohnten. Die klare und übersicht- 
liche Behandlung des Gegenstandes, von Herrn Bruhns in freier Rede vorgetragen, wurde 
von der Versammlung beifallig aufgenommen und hat Herr Erzherzog Rainer nach Schluss 
des Vortrages dem Redner seine Anerkennung ausgesprochen. - Am n. März hielt 
Director C. Sitte im Museum einen Vortrag über vHandfertigkeitsunterricht in seiner 
Beziehung zur Kunst und Gewerbebildungx. Anwesend waren Se. kais. Hoheit Erzherzog 
Rainer, Hofrath v. Eitelberger, Hofrath V. Ullrich, Sectionsrath Baron von 
Dumreicher, zahlreiche Vertreter aus Gewerbe- und Schulkreisen. Der Vortragende 
schilderte in der Einleitung die Ursachen des allgemeinen Rückganges der Handgeschick- 
lichkeit auf allen Gebieten des Gewerbes und der Kunst. Auf allen Gebieten der Kunst- 
industrie werden heute Arbeitskräfte, welche die technischen Schwierigkeiten ihres Be- 
rufes beherrschen, schwer gefunden, während noch im vorigen Jahrhundert in allen 
Stoffen, Stein, Holz, Eisen, Tbon etc. allgemein mit Sicherheit und Gewandtheit gear- 
beitet wurcle. in der Handfertigkeit sind wir gegenwärtig aber nicht blos zurück hinter 
unseren Vorfahren, sondern auch hinter der orientalischen Fabrication und der Antike. 
Dieser Rückschritt ist um so auffallender, als sich gleichzeitig die Werkzeuge verbesa 
sertcn und der Rückgang nur auf Kosten des Fleißes und der Uebung von frühester 
Jugend an gesetzt werden kann. Die Stetigkeit dieses Rückganges in der Handfertiglteit 
weist hin auf die Nothwendigkeit der Verbindung dieser Erscheinung mit der allgemeinen 
Culturenttvicklung; sie zeigt sich auch in Verbindung mit einer anderen culturhisto- 
rischen Erscheinung, nämlich der eben so stetigen Zunahme der wissenschaftlichen 
Abstraction, der reinen Theorie auf allen Gebieten. ln dieser steten Fortbewegung nach 
einer Richtung ist die Entwicklung in den letzten Decennien bereits an derjenigen 
Grenze angelangt, bei welcher die Uebelstände allzu großer Einseitigkeit handgreiflich 
zu Tage kamen; und nun stehen wir auch folgerichtig auf dem Punkte, uns darüber zu 
besinnen, und vor Allem auch in der Schule darauf zu dringen, dass sie nicht einseitig 
nur das Wissen pflege, sondern auch das Können, auch technische Fertigkeiten schon
	        
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