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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 223)

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Francke wollte gleich Comenius die Jugend für die ideale und 
praktische Zukunft vorbereiten, für die Gottseligkeit und die Weltklugheit 
oder wie er sie nannte, wchristliche Klugheitu. ' 
Seine "christliche Klugheitß ließ ihm die Kinder der verschiedenen 
Stände strenge von einander getrennt erhalten, aber Allen sollte die 
Arbeit ein Erziehungsmittel werden, nur aus anderen Gründen: Während 
die Kinder der deutschen Schulen Spinnen, Stricken und die Mädchen 
auch Nähen , Auskehren, überhaupt alle Hausarbeiten verrichten 
sollten, damit sie nicht krätzig werden, erkranken, sollen die Söhne 
der fürnehmen Leute, um nicht Gelegenheit in allerlei Muthwillen zu 
finden, Drechseln, Glasschleifen, in Kupfer stechen, auch sollen sie 
lernen Speisen tranchiren, Apfelschneiden und Servietten brechen. -- Die 
vielbewunderten Tulpen, Kronen und Schwäne unserer Kellner und Dienst- 
leute haben schon die Söhne der Standesherren bei Francke geübt. Francke 
wollte die Arbeit nicht blos als mechanische Beschäftigung gelten lassen, 
er verband sie mit Belehrungen aus den bezüglichen Disciplinen. 
Gleich Francke hat auch Hecker, der Gründer der Realschulen, in 
der von ihm geleiteten Anstalt die Arbeit als Erziehungsmittel aufge- 
nommen, um durch sie die leibliche Entwicklung der Schüler zu beför- 
dern, sie mit Lust und Liebe zur Arbeit zu erfüllen und sie für einen 
späteren Beruf vorzubereiten. 
Der moderne Realismus war eigentlich ein Werk des großen Eng- 
länders Bacon von Verularn und demgemäß auch in seinem Vaterlande 
nicht ohne Wirkung auf die Pädagogik geblieben. Der bedeutendste 
realistische Schriftsteller in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts in 
England war Locke. Sein Erziehungsideal ist nicht der vollkommene 
Mensch an sich, sondern der feingebildete Mann vom Stande, der nperfect 
gentlemanu. Locke fordert aus ähnlichen Gründen wie Comenius und 
Francke, die Einbeziehung der physischen Arbeit als Erziehungsmittel. 
Nur vergisst er bei der Auswahl der Beschäftigungen nicht auf die nach- 
malige Stellung seiner Zöglinge und auf den Geldsäckel ihrer Eltern 
gebührende Rücksicht zu nehmen. Er will sie das Parfümiren, das 
Lackiren, Graviren, das Schleifen, Pnliren und Einfassen von Edelsteinen 
und optischen Gläsern, nebst Arbeiten in Eisen, Messing und Silber lehren. 
Eine Schulverwaltung, welche Schüler Silber und Edelsteine bearbeiten 
lassen will, darf keineswegs an Geld Mangel haben. 
Ein ganz anderer Beweggrund leitete Rousseau, da. er die Einführung 
der Handarbeit in den Erziehungsplan fordert. Er stellte dem Zweck- 
princip dasienige der naturgemäßen allgemeinen Menschenbildung entgegen 
und schuf hiemit die Grundlage der modernen Pädagogik. 
Die Handfertigkeitv ist Bildungsmittel im Dienste des Unterrichtes. 
Bekanntlich hat Rousseau seine Pädagogik in Form einer Geschichte, 
betitelt wEmilu gegossen. Als sein Zögling xz Jahre alt ist, soll er erst 
Unterricht im eigentlichen Sinne des Wortes empfangen, aber ja keinen
	        
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