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Francke wollte gleich Comenius die Jugend für die ideale und
praktische Zukunft vorbereiten, für die Gottseligkeit und die Weltklugheit
oder wie er sie nannte, wchristliche Klugheitu. '
Seine "christliche Klugheitß ließ ihm die Kinder der verschiedenen
Stände strenge von einander getrennt erhalten, aber Allen sollte die
Arbeit ein Erziehungsmittel werden, nur aus anderen Gründen: Während
die Kinder der deutschen Schulen Spinnen, Stricken und die Mädchen
auch Nähen , Auskehren, überhaupt alle Hausarbeiten verrichten
sollten, damit sie nicht krätzig werden, erkranken, sollen die Söhne
der fürnehmen Leute, um nicht Gelegenheit in allerlei Muthwillen zu
finden, Drechseln, Glasschleifen, in Kupfer stechen, auch sollen sie
lernen Speisen tranchiren, Apfelschneiden und Servietten brechen. -- Die
vielbewunderten Tulpen, Kronen und Schwäne unserer Kellner und Dienst-
leute haben schon die Söhne der Standesherren bei Francke geübt. Francke
wollte die Arbeit nicht blos als mechanische Beschäftigung gelten lassen,
er verband sie mit Belehrungen aus den bezüglichen Disciplinen.
Gleich Francke hat auch Hecker, der Gründer der Realschulen, in
der von ihm geleiteten Anstalt die Arbeit als Erziehungsmittel aufge-
nommen, um durch sie die leibliche Entwicklung der Schüler zu beför-
dern, sie mit Lust und Liebe zur Arbeit zu erfüllen und sie für einen
späteren Beruf vorzubereiten.
Der moderne Realismus war eigentlich ein Werk des großen Eng-
länders Bacon von Verularn und demgemäß auch in seinem Vaterlande
nicht ohne Wirkung auf die Pädagogik geblieben. Der bedeutendste
realistische Schriftsteller in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts in
England war Locke. Sein Erziehungsideal ist nicht der vollkommene
Mensch an sich, sondern der feingebildete Mann vom Stande, der nperfect
gentlemanu. Locke fordert aus ähnlichen Gründen wie Comenius und
Francke, die Einbeziehung der physischen Arbeit als Erziehungsmittel.
Nur vergisst er bei der Auswahl der Beschäftigungen nicht auf die nach-
malige Stellung seiner Zöglinge und auf den Geldsäckel ihrer Eltern
gebührende Rücksicht zu nehmen. Er will sie das Parfümiren, das
Lackiren, Graviren, das Schleifen, Pnliren und Einfassen von Edelsteinen
und optischen Gläsern, nebst Arbeiten in Eisen, Messing und Silber lehren.
Eine Schulverwaltung, welche Schüler Silber und Edelsteine bearbeiten
lassen will, darf keineswegs an Geld Mangel haben.
Ein ganz anderer Beweggrund leitete Rousseau, da. er die Einführung
der Handarbeit in den Erziehungsplan fordert. Er stellte dem Zweck-
princip dasienige der naturgemäßen allgemeinen Menschenbildung entgegen
und schuf hiemit die Grundlage der modernen Pädagogik.
Die Handfertigkeitv ist Bildungsmittel im Dienste des Unterrichtes.
Bekanntlich hat Rousseau seine Pädagogik in Form einer Geschichte,
betitelt wEmilu gegossen. Als sein Zögling xz Jahre alt ist, soll er erst
Unterricht im eigentlichen Sinne des Wortes empfangen, aber ja keinen