vorkommen; Eckauflösungen von Borduren bei gegebenem Motiv, Com-
binirungen aller Art, die wie das Sträußchenbinden der Blumenhänd-
lerinnen Tausende von Menschen im Leben täglich üben, ohne dass sie
deshalb ein eigenes Genie dazu sich andichteten u. dgl. m.
Für dieses Componiren einfachster Art gibt es thatsächlich Regeln:
Regeln der Farbenzusammenstellung, des Massengleichgewichtes, der Sym-
metrie und Proportion, der Linienführung, des Contrastes und der Har-
monie, der Deutlichkeit, der Zweckmäßigkeit, der Berücksichtigung des
Materiales und noch andere. Und diese Regeln lassen sich sehr wohl
besprechen, klar machen, an Beispielen aus der Kunstgeschichte nach-
weisen, an der Hand von Compositions-Aufgaben einüben, bis sie endlich
sozusagen in Fleisch und Blut übergehen; und das Alles nicht vielleicht
blos an der Meisterschule höchsten Ranges, sondern bis zu den untersten
Stufen des Zeichen- und Modellirunterrichtes, ja, wenn man will, bis zu
den Flechtblättern des Kindergartens hinunter.
Wenn diese Bemerkung von Vertretern des Geniecultus nicht ohne
spöttisches Lächeln hingenommen werden dürfte, so gehört sie als Grenz-
bestimmung doch zur Sache, denn thatsächlich wird heute schon auf allen
diesen Stufen das freie Combiniren hie und da geübt, und durch diese
Bestimmung des Umfanges unserer vorliegenden Schulfrage ergibt sich
auch am sichersten der Standpunkt, von dem aus sie erörtert werden muss.
Ueber die Einführung von Uebungen im Entwerfen auch in des
Freihandzeichnens niederen Stufen kann also gar wohl gesprochen werden,
und die nächste Frage wäre die nach der Methode, wie das geschehen soll.
Auch hierüber sind die Meinungen getheilt.
Das Nächstliegende wäre die theilweise Uebertragung des Ent-
werfens der Meisterschulen an die nächst niederen Abtheilungen des
vorbereitenden Zeichenunterrichtes. Das würde voraussichtlich schlechte
Früchte tragen, ja vielleicht mehr schaden als nützen und diejenigen,
welche sich die Sache so vorstellen, dürften Recht haben, wenn sie, auch
ohne es erst zu probiren, damit nicht einverstanden sind.
Einerseits wäre das zu viel verlangt von Anfängern, und indern es
über ihre Kräfte geht, würde es sie, statt anzueifern, entmuthigen, statt
ihnen die Sache klar zu machen, nur noch mehr verwirren. Wer die
Sache nicht anders als so anzufassen verstünde, der bleibe mit seinen
gchülern lieber beim Vorlagencopiren und Bildchenmachen.
Andererseits wurde aber auch an dem Entwerfen, wie es an Kunst-
schulen höheren Ranges häufig gepflegt wird, schon Manches ausgestellt.
Der Altmeister G. Semper ergoss wiederholt seine satirische Lauge
über das sogenannte nComponiren mit dem Oelpapierm Man
könnte diese Methode auch das wComponiren in der Bibliotheku nennen.
Die Künstler (der Eingangs besprochene Respect vor dem Genie sei ihnen
nicht vorenthalten), deren Werke nach dieser Methode entstanden, sind
heute überaus zahlreich. Es hängt dies mit dem ganzen Gange unserer
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