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modernen Kunst überhaupt zusammen. Das bloße Copiren ist die Losung
unserer Zeit geworden. Die Naturalisten schämen sich nicht einmal zu
sagen, dass der Künstler blos die Natur abzuschreiben brauche und nichts
selbst schaden könne. Die Stylisten und Idealisten unterscheiden sich von
ihnen aber blos äußerlich; in ihrem innersten Wesen sind sie durchaus
identisch mit unseren Naturalisten, nämlich - gleichfalls blos Abschreiber.
Nur das Original ist ein verschiedenes, indem die Einen die Natur direct,
die Anderen aber eine Stylrichtuug der Vergangenheit oder einen ein-
zclnen alten Meister abschreiben.
Sind die Theile mehrerer alter Werke so durcheinander geknetet,
dass der Laie nicht mehr erkennt, woher das Alles stammt, dann ist die
v-Originalcompositionn fertig.
Wenn das so in der Kunst landesüblich geworden, kann man sich
nicht wundern, dass es in der Schule auch so betrieben wird.
Oder sollte etwa gerade unsere moderne Schuldrillung mit ihrem
ewigen Copiren und immer wieder Copiren bis über die Jahre des gei-
stigen lugendschwunges, bis über das fünfundzwanzigste Lebensjahr
hinaus, den Schwung der schöpfenden Phantasie an der Quelle schon
verstopft haben? Sollte die Schule vielleicht selbst mitschuldig daran sein,
dass wir heute im Vergleiche zu allen vergangenen Jahrhunderten so
spottwenig originelle große Geister in der Kunst zu zählen vermögen?
Wenn dem so wäre, dann fort mit dem geisttödtenden Kram des
unbelebten Copirens! Fort mit dem endlosen Austüpfeln von Hinter-
gründen, dem geistlosen Nachpimpeln jedes zufällig abgestoßenen Eckes
vom Gypsmodell, mit dern bloßen gedankenlosen i-Sehenlernenu und
dieser ganzen verfehlten Maschinerie zur Erziehung ideenleerer Kunst-
hnndlangerl 1
Wenn dem so wäre, dann hat die Schule nicht blos eine kleine
Verbesserung vorzunehmen, nein, dann hat sie geradezu Sühne zu geben
für ihre eigene Schuld!
Das Rechte dürfte, wie sonst häufig, so auch hier, in der Mitte
liegen; nämlich es dürften Schule und Praxis zu gleichen Theilen ver-
antwortlich sein für die Flauheit in unserer Kunst. Sobald einer der
beiden Theile im Stande wäre, sich neue größere Ziele zu stecken und
neue Wege einzuschlagen, würde der andere folgen. Gewiss ist aber auch,
dass weder Schule noch Praxis dies vermögen werden, wenn nicht die
natürliche Entwickelung selbst dazu drängt.
Trügt aber nicht Alles, so stehen wir hart vor dieser Grenze.
Die Zeit des Copirens der alten Stylarten in Kunst und Kunst-
industrie, sie geht zur Neige. Schon sind die wichtigsten Kunstarten in
nahezu genauer chronologischer Reihenfolge von uns nachgeahmt worden.
Gegenwärtig schreiten wir getrosten Muthes durch die letzten, durch
Barocke und Rococo hindurch; wenige Decennien trennen uns nur mehr
von uns selbst. Wenn wir so uns selbst wieder gefunden haben, nach