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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 227)

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modernen Kunst überhaupt zusammen. Das bloße Copiren ist die Losung 
unserer Zeit geworden. Die Naturalisten schämen sich nicht einmal zu 
sagen, dass der Künstler blos die Natur abzuschreiben brauche und nichts 
selbst schaden könne. Die Stylisten und Idealisten unterscheiden sich von 
ihnen aber blos äußerlich; in ihrem innersten Wesen sind sie durchaus 
identisch mit unseren Naturalisten, nämlich - gleichfalls blos Abschreiber. 
Nur das Original ist ein verschiedenes, indem die Einen die Natur direct, 
die Anderen aber eine Stylrichtuug der Vergangenheit oder einen ein- 
zclnen alten Meister abschreiben. 
Sind die Theile mehrerer alter Werke so durcheinander geknetet, 
dass der Laie nicht mehr erkennt, woher das Alles stammt, dann ist die 
v-Originalcompositionn fertig. 
Wenn das so in der Kunst landesüblich geworden, kann man sich 
nicht wundern, dass es in der Schule auch so betrieben wird. 
Oder sollte etwa gerade unsere moderne Schuldrillung mit ihrem 
ewigen Copiren und immer wieder Copiren bis über die Jahre des gei- 
stigen lugendschwunges, bis über das fünfundzwanzigste Lebensjahr 
hinaus, den Schwung der schöpfenden Phantasie an der Quelle schon 
verstopft haben? Sollte die Schule vielleicht selbst mitschuldig daran sein, 
dass wir heute im Vergleiche zu allen vergangenen Jahrhunderten so 
spottwenig originelle große Geister in der Kunst zu zählen vermögen? 
Wenn dem so wäre, dann fort mit dem geisttödtenden Kram des 
unbelebten Copirens! Fort mit dem endlosen Austüpfeln von Hinter- 
gründen, dem geistlosen Nachpimpeln jedes zufällig abgestoßenen Eckes 
vom Gypsmodell, mit dern bloßen gedankenlosen i-Sehenlernenu und 
dieser ganzen verfehlten Maschinerie zur Erziehung ideenleerer Kunst- 
hnndlangerl 1 
Wenn dem so wäre, dann hat die Schule nicht blos eine kleine 
Verbesserung vorzunehmen, nein, dann hat sie geradezu Sühne zu geben 
für ihre eigene Schuld! 
Das Rechte dürfte, wie sonst häufig, so auch hier, in der Mitte 
liegen; nämlich es dürften Schule und Praxis zu gleichen Theilen ver- 
antwortlich sein für die Flauheit in unserer Kunst. Sobald einer der 
beiden Theile im Stande wäre, sich neue größere Ziele zu stecken und 
neue Wege einzuschlagen, würde der andere folgen. Gewiss ist aber auch, 
dass weder Schule noch Praxis dies vermögen werden, wenn nicht die 
natürliche Entwickelung selbst dazu drängt. 
Trügt aber nicht Alles, so stehen wir hart vor dieser Grenze. 
Die Zeit des Copirens der alten Stylarten in Kunst und Kunst- 
industrie, sie geht zur Neige. Schon sind die wichtigsten Kunstarten in 
nahezu genauer chronologischer Reihenfolge von uns nachgeahmt worden. 
Gegenwärtig schreiten wir getrosten Muthes durch die letzten, durch 
Barocke und Rococo hindurch; wenige Decennien trennen uns nur mehr 
von uns selbst. Wenn wir so uns selbst wieder gefunden haben, nach
	        
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