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Da zeigt sich nun sogleich, dass gerade die Spiralen zu. denmäch-
tigsten Urmotiven aller Ornamentik gehören, dass sie im Bronzezeitalter
förmlich herrschten und Alles überkleideten; dass aus dieser frühen
Urzeit noch die Idee zu den Voluten des herrlichen ionischen Kapitäles
stammt; dass diese Bronzespiralen nachgeahmt in feinen Gold- und Silber-
drähten die "uralte Technik der Filigranarbeiten erzeugte, welchethaupt-
sächlich in lndien noch heute blüht und dort die Grundlinien-zum Decor
der Shawlweberei liefert; dass an den Bronzen der Griechen und Römer
an Dreifüßen und Aehnlichem die Spirale noch eine Hauptrolle spielt
und aus dem ihr ureigenen Elemente des Metalles auch massenhaft i.n
die Gefäßmalerei übertragen wurde; endlich wie im Mittelalter auch der
geschmiedete Eisenstab sich immer mehr und mehr dieser Form fügt und wie
die einfachen großen Spiralwindungen der Renaissance- und Barock-Gitter
alles vorher Erdachte überbieten, Alles enthalten, was das höchste Raf-
linement von Combinationen, Paarungen, Durchdringungen in allen
Varianten nur überhaupt zu bieten vermag.
Dieser ganze unermessliche Reichthum steht zur Verfügung, und
wenn man so sieht, wie man eigentlich nur zuzugreifen braucht, muss
man sich höchlichst verwundern, wenn in der ganzen Fluth von Zeichen-
vorlagen, welche alljährlich zu Markt gebracht werden, immer wieder
nur dieselben paar abgedroschenen Motive zu finden sind, Motive, die
nicht deshalb gewählt wurden, weil sie einer bestimmten pädagogischen
Absicht am besten dienen, sondern oifenbar nur deshalb, weil sie schon
in einem früheren Vorlagenwerk enthalten sind.
Der richtige Vorgang müsste dieser sein:
Der gesammte Schatz einer einzigen Formengruppe müsste complet
überblickt werden und dann nicht das nächst Beste, sondern das Typische
und das pädagogisch Brauchbarste gewählt werden.
Speciell betreifend die Spiralen würden die Filigrane verworfen
werden müssen, weil sie zu klein im Maßstab, die Webereien und Malereien,
weil sie das Motiv nicht mehr rein enthalten und in bereits übertragener
Technik, endlich auch die prähistorischen Bronzen, weil sie noch zu roh
und ohne Durchbildung sind. Allen Anforderungen der Pädagogik:
Großer Maßstab, Einfachheit des Schwunges ohne Vermengung mit
fremdem Decor, Materialrichtigkeit entsprechen die Schmiedeeisengitter der
Renaissance.
ln diesen sind nachweislich auch alle Haupttypen und deren Com-
binationen genau so enthalten, wie sie die Methode des variirenden Com-
ponirens ergibt, förmlich wie nach den Regeln der Combinationsrechnung.
Wenn also hier zuerst die Urmotive (Parallelspirale .und Proportional-
spirale, C- und S-förmige Spirale) erklärt und construirt werden (nebenbei
sei bemerkt, dass alle derlei Constructionen auch in den neuesten Vorlagen-
werken unbrauchbar sind) nachher die Mittel erläutert werden, wodurch
die verschiedenen Combinationen entstehen, nämlich: Wechsel der Ansatz-