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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 228)

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stellen, Wechsel der Richtung, Wechsel der Lage gegen die Symmetrie- 
axe etc., so ergeben sich alle möglichen Fälle wie durch Rechnung, 
können daher förmlich abexaminirt werden und auf Grundlage dieser 
Anleitung nun die Schüler eine Compositionsaufgabe erhalten. An diese 
lassen sich dann die "Belehrungen über Linienführung, Massenver- 
theilung etc.u, wie es der Eingangs citirte Lehrplan fordert, erst mit 
Nutzen anknüpfen, denn wenn irgendwo so gilt hier in voller Kraft 
der Satz: Durch Fehlen lernt man. 
Jede Ornamentregel ist nämlich vom Hause aus eine negative, 
d. h. sie ist nicht von Meisterwerken abgeleitet, sondern von verfehlten 
Producten", sie ist erst durch den unangenehmen Eindruck, den die falsche 
Linienführung macht, bemerkbar und so entdeckt worden. Alle ästhetischen 
Regeln dieser Kategorie sind auf diesem Wege durch die Kritik ent- 
standen, denn das vollkommen durchcomponirte Gefüge ohne Fehler hat 
das Eigene, dass den Sinnen daran nichts speciell auffällt. So ist es denn 
auch unmöglich, dem Schüler an einem Meisterwerk der Ornarnentik die 
Regeln der Linienführung klar zu machen. Reden kann man vor ihm 
darüber allerdings und auswendig lernen könnte man es ihn auch lassen, 
aber verstehen wird er es auf diese Art nicht. Z. B. die höchst einfache 
Regel des senkrechten Stoßes sich durchdringender Linien kann man 
allerdings an einer beliebigen Zahl von Fällen nachweisen. Den Grund 
dieser Regel wird der Schüler aber erst dann fühlen und somit auch 
begreifen, wenn man ihm eine recht schlechte Linienführung zeigt, die 
auch sein Auge beleidigt und ihm zeigt, dass der unklare stumpfe oder 
zu spitze Zusammenstoß der Linien daran Schuld ist, und dass sich Alles I 
in Wohlgefallen auflöst, wenn man diesen Uebelstand beseitigt. 
Kurz die im Lehrplan geforderten Belehrungen über die Linien- 
führung sind gar nicht möglich ohne Compositionsaufgaben, denn nur an 
der fehlerhaften Zeichnung lassen sich diese Regeln demonstriren, und 
diese fehlerhafte Zeichnung ist eben der eigene Compositionsversuch des 
Anfänger-s. 
lst auf diesem Umweg die Regel begriffen, dann erst lebt sie, dann 
erst werden die Meisterleistungen der Ornatnentik mit Bewunderung 
betrachtet, gerne und auch richtiger (weil mit Verständniss) copirt. 
Zufolge des eingeschlagenen Weges der systematischen Varianten- 
bildung, wird es nun den Schülern klar, dass eine Anzahl Varianten nicht 
ausführbar, weil bei ihnen eine gute Linienführung überhaupt nicht 
möglich ist; andere wieder sind etwa technisch unausführbar. Somit bleibt 
doch wieder nur eine verhältnissmäßig geringere Zahl übrig und diese 
sind in der That diejenigen Muster, welche in der Kunstgeschichte eine 
mehr weniger hervorragende Rolle spielen. So führt diese Methode des 
Componirens schließlich zu den Typen der Zeichenvorlagcn und der 
Gypsrnodelle, welche dem Schüler nun nicht mehr fremd gegenüber stehen 
als ein wüstes Durcheinander von Allerlei aus lrgendwoher.
	        
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