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Damit dieser Effect erreicht werden könne ist nun freilich nöthig,
dass eine längere Zeit, z. B. bei wöchentlich vier Stunden Freihand-
zeichnen mindestens ein ganzes Semester ausschließlich dem Gitter- und
dem Spiralenzeichnen" gewidmet bleibt. .- _ ' '.
Aber was. schadet-das? Dieses Capitel ist dann wenigstens wirklich
erledigt und im nächsten Semester kann ein anderes folgen und endlich
ein ziemlicher Umfang praktischer Kenntnisse und combinatorischer
Fertigkeit vermittelt werden. ' '
Nur um zu zeigen, dass dieses Princip überhaupt durchführbar, sei
eine Fortsetzung der Reihe hier beiläufig angegeben. Dem Spiralenzeichnen
würden andere Motive, welche in großem Maßstabe einfache Schwungllnien
enthalten, folgen können, z. B. Brettausschnitte der Holzarchitektur und
dann die einfachen geschwungenen Bänder der Foumiereinlagen an
Rococomöbeln. Hiedurch wäre der Uebergang zur lntarsia mitLaubwerk
vermittelt und würde nun auch die ganze Theorie der Blattbildung folgen.
Auf dieser Höhe sind an den Schulen meist auch schon die Elemente
der Projectionslehre und auch der Schattengebung bewältigt und kann
nun im Freihandzeichnen der Schritt zum plastischen Ornament gemacht
werden.
In solcher oder ähnlicher Weise müssten also einzelne größere Gebiete
gruppenweise aneinander gereiht werden. Die hier gegebene Reihe macht
keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit. Dazu fehlen heute noch aus-
gebreitetere Erfahrungen. Sie sollte nur die Möglichkeit des Vorganges
darthun. .
Jeder, der das Experiment in der Schule versucht, wirdfinden:
I. Dass mehr Lust zur Sache dadurch in die ganze Classe einzieht;
2. dass nach jeder so geleiteten Compositionsaufgabe auch besser
copirt wird.
Freilich wird es an solchen nicht fehlen, welche den ganzen Vorgang
verurtheilen, auch ohne ihn vorher praktisch versucht zu haben; wie
schwer aber ein solches aprioristisches Urtheil wiegt, sei dahingestellt.
Das Eine steht fest, dassdiese Methode auch ihre Nachtheile hat,
denn es gibt nichts unter der Sonne, das nicht seine zwei Seiten hätte.
Der wichtigste und vielleicht allein belangreiche Nachtheil dürfte
der sein, dass sie zu hohe Anforderungen an den Lehrer stellt, als dass
eine allgemeine Einführbarkeit ihr zugesprochen werden könnte.
Umsomehr scheint es aber gerade deshalb Pflicht der Kunst-
schulen höchster Stufe, welchen die Ausbildung unserer Zeichenlehrer
anvertraut ist, die jungen Männer nicht volle vier oder gar fünf Jahre
mit todtern Copirenlernen hinzuhalten.
Vielmehr sollten alle höheren und auch mittleren Anstalten, an
welchen die Befähigung der Lehrkräfte dazu ausreicht, den neuesten
Normallehrplan gut ansehen und das Ihre dazu beitragen, dass wir auf
der einmal eingeschlagenen guten Bahn rlistig vorwärtsschreiten. Es gibt