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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 232)

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Wohnhäusern und Palästen wurde erbaut und zum Theil mit ungewöhn- 
lichem Luxus ausgestattet. Dabei waren die Berliner Architekten gegen- 
über ihren Wiener Collegen insoferne im Vortheil, als der Materialbau 
bei ihnen viel häufiger in Anwendung kam. Jedermann aber weiß, wie 
sehr ein schönes Material, und namentlich Stein, dem Künstler erwünscht 
ist, wie dabei der Sinn für feine Profilirung, ausdrucksvolle Klarheit und 
sorgfältige Durchbildung des Details zunimmt und sich natutnothwendig 
auf die innere Ausstattung, dann auf die Möbel und schließlich auf die 
gesammte Kunstindustrie überträgt; Dagegen war es bisher ein großer 
Nachtheil, dass es der monumentalen Architektur an Aufträgen fehlte. Denn 
wahrhaft große Aufgaben der Architektur erziehen ein Künstlergeschlecht 
von strenger, ernster Sinnesart, Maß und Haltung treten an Stelle kleinlicher 
EfTecte, edle reine Schönheit kann sich frei entfalten, wirkt zurück auf 
die gesammte Kunstübung und läutert den Geschmack des Publicums. 
Ein verderbliches System, das leider auch bei uns nicht selten zur Gel- 
tung kommt, benachtheiligte überdies noch die Kunstindustrie in jenen 
Fällen, in welchen Bauten aus öffentlichen Mitteln errichtet wurden. 
Statt nämlich bei solchen Gelegenheiten, vorausgesetzt, dass überhaupt 
künstlerische Gesichtspunkte in Frage kamen, die besten und tüchtigsten 
Kunstindustriellen herbeizuziehen, übergab man die Arbeiten an Jene, 
welche in Bezug auf den Preis die größten Concessionen machten, so dass 
gerade bei Aufträgen des Staates oder der Commune die Kunstindustrie 
am wenigsten Gelegenheit hatte, ihr volles Können zu bethätigen. Die- 
selbe war vielmehr bis jetzt hauptsächlich auf die Bedürfnisse und Con- 
cessionen der bürgerlichen Kreise beschränkt. Es lag daher die Ver- 
suchung nahe, mehr eitlen Prunk als echte Pracht zu pflegen und durch 
Ueberladung mit kleinlichem Detail dem noch ungeläuterten Geschmack 
des großen Publicums zu huldigen. Dieser Versuchung unterlag die 
Berliner Kunstindustrie bis gegen Ende der Siebziger Jahre in der That, 
und manche Zweige derselben haben sich bis heute davon nicht befreien 
können. Aber im Allgemeinen kommt namentlich seit der Ausstellung 
irn Jahre 1879 eine bessere Richtung immer mehr zur Geltung. Auch 
hier wird vorzugsweise die deutsche Renaissance gepflegt, aber ihr Cha- 
rakter ist ein anderer, indem ein architektonischer Geist in allen Ent- 
würfen obwaltet. Die Kunstindustriellen Berlins haben sich München in 
vieler Beziehung zum Muster genommen, und sie thaten wohl daran, 
denn in Bezug auf harmonische Farbenwirkung und künstlerisches Arran- 
gement konnten sie von ihren süddeutschen Brüdern nur lernen; aber 
sie haben die Extreme der Münchener Richtung glücklich vermieden; 
wir "finden weder Schränke noch Himmelbetten mit Füllungen aus Butzen- 
scheiben, noch gemalte Fenster mit Wappen, die zu dem Besitzer in gar 
keinem Verhältniss stehen, es fehlt alles Das, was sich vielleicht am 
besten mit dem Worte "Altdeutschthlimeleil bezeichnen lässt. Die Ber- 
liner Architekten und Kunstindustriellen scheuen sich nicht, im Ornament
	        
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