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Nach ihrem Untergang übernahm das Christenthum ihre Traditionen und entwickelte
unter dem Drucke bescheidenerer Verhältnisse die romantischen Style, in denen sich
die Glaubensinniglteit und Gemüthstiefe des Nordens ausdrückt. Die Renaissance amal-
gatnirt diese neuen Errungenschaften mit den antiken Formen und bietet uns eine un-
endliche Fttlle neuer schöner Einzelmotive. Indessen fasst erst die Spatrenaissance die
architektonischen Aufgaben von höherem und allgemeinerem Standpunkt und stellt die
noch heute giltigen Gesetze der Raumdisposition und der Massengliederung in Risalite
und Pavillons auf. sowie sie auch die Natur unter architektonische Gesetze zwingt.
Damit soll indessen nicht der Zusammenhang unserer Detnilformen mit denjenigen
der Barocke gemeint sein, denn die Entwickelung des Details geht ihren eigenen Weg,
entsprechend den jeweiligen Iocalen Verhältnissen, Der Charakter der Barockarchitektur
entspricht der Zeit, die große Widersprüche zeigte, so dass sie in Bezug auf die Haupt-
_ anlage anerkannt, in Bezug auf das Einzelne aber verworfen werden muss.
Dieser Styl ist merkwürdigerweise wieder modern geworden, wird jedoch so
übertrieben, dass er sich bald wieder erschöpft. Man sollte bei seiner Nachahmung doch
die allgemeine Verfeinerung der Sitten seit jener Zeit auch berücksichtigen. Ueberhaupt
steht unsere Zeit vor anderen Aufgaben. Das Zinshaus ist ein anderes als dasjenige des
17. und 18. Jahrhunderts, namentlich seit das Parterregeschoss durchbrochen wird,
um die großen Schaufenster zu gewinnen. Dies kann nur mit einer kräftigen Renaissance
gelöst werden. Auch das einzelnstehende Familienhaus stellt andere Anforderungen. als
die Barocitarchitektur befriedigen kann. Es will bewegter und gruppirter, von Innen
herausgeboren sein.
Es ist wohl richtig, dass ein Styl, der im Lande schon heimisch, besondere Be-
rücksichtigung verdient. Warum wendet man sich nicht an die Hochrenaissance, deren
Goldglanz auch über Oesterreich geleuchtet? Es gibt zahlreiche Monumente aus jener
Zeit, die in gewisser Beziehung der unseren viel naher steht. indessen, ob man nun der
Hoch- oder Spätrenaissance sich anschließt, so muss sie jedenfalls im Sinne unserer
Kenntnisse der besseren Style gereinigt werden. ,
Es kann dann die Zeit kommen, wo die einzelnen Ströme der Renaissance wieder
in einen zusammeniiießen, in dem sich aus jeder Richtung das' erhalten hat, was lebens-
fähig ist. Hiezu bedarf es aber noch der Klärung der baukünstierischen Ansichten. Der
Strom der Renaissance des 15. Jahrhunderts ist noch nicht erschöpft und ergänzt sich
durch immer neue Aufgaben, durch eine immer genauere Kenntniss der Antike und eine
immer inniger: und harmonischem Durchdringung mit der Romantik des Nordens.
KLEINERE MITTHEILUNGEN.
(Geschenk an das MIIBGIIDJ.) Herr Hofschlosser V. Gillar hat
dem Oesterr. Museum ein nach dem Entwurfe von Prof. Herrn. Herdtle
ausgeführtes Glockengestell zum Geschenke gemacht; ebenso hat der
Hof-Glockengießer A. Samassa in Laibach die dazu gehörige Glocke
dem Museum gespendet.
(Personalnachricht) Mit I. Jännet d. J. schied der bisherige
Custos und Bibliothekar Eduard Chmelarz aus dem Verbande des
Oesterr. Museums und trat als Custos der kais. Kupferstichsammlung in
die Hofbibliothek ein. Chmelarz gehörte dem Oesterr. Museum seit dem
Jahre 1876 an und hat sich nach den verschiedenen Richtungen seiner
Thätigkeit daselbst vielfach um die Anstalt verdient gemacht. Seit dem
Jahre 1878 hatte er die Redaction der wMittheilungen des Museums"
geleitet und durch fünflahre wirkte er erfolgreich als Docent für Kunst-
geschichte an der Kunstgewerbeschule. Die größten Verdienste aber hat
sich Chmelarz um die Bibliothek des Museums durch die von ihm und
dem Bibliotheksbeamten Franz Ritter besorgte Neuausgabe des Kataloges
der Museumsbibliothek (1883) erworben, Chmelarz, der sich in letzter
Zeit aifh mit der Ordnung und Katalogisirung der Hauslab-Liechten-
stein'sc en Sammlung beschäftigte, hat sich durch seine Arbeiten in Fach-
kreisen einen geachteten Namen und durch seine persönliche Liebenswür-
digkeit und Gefälligkeit im Publicum zahlreiche Freunde gemacht.