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Neuere deutsche Kunstgeschichte.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass eine zusammenhängende,
populäre Geschichte der modernen deutschen Kunst einem Bedürfnisse
der kunstgebildeten Leserwelt entspricht, und dass Prof.) v. Reber und
Maler Friedrich Pecht die geeigneten Männer sind, um ein solches Werk
durchzuführen"). Reber ist ein Kunstgelehrter, der sich auf verschiedenen
Gebieten der Kunstgeschichte bewährt hat, und Pecht bringt aussef seinen
vielfachen Berührungen mit moderner Kunst und Kunstindustrie eine
geistreiche Feder mit. Das Buch wird daher von Künstlern und von Laien
gerne gelesen werden, es ist zugleich anregend und belehrend. Dass es
aber trotz dieser Vorzüge auf vielfachen Widerspruch stoßen muss, ist
begreiflich. Das Geschmacksurtheil ist ein subjectives; die Subjectivität
ist eine vollständig berechtigte, besonders der modernen Kunst gegenüber.
Es kommt noch hinzu, dass die Bewegung der Geister lm' Deutschen
Reiche in künstlerischer. politischer und volkswirthschaftlicher Hinsicht
noch keine abgeschlossene ist, und dass sich Niemand der Einwirkung
dieser politischen Buctuirenden Strömung entziehen kann. Daraus geht
hervor, dass es wünschenswerth ist, auch jener Factoren, die stabile Ele-
mente der deutschen Kunstbildung sind, zu gedenken, und die in dem
Reber-Pechfschen Werke nicht deutlich genug ausgesprochen sind. Bei
der Darstellung der Kunstentwickelung des deutschen Volksstammes darf
man das nicht vergessen, was die Kunst der Städtebevölkerung und
den deutschen Fürstengeschlechtern zu verdanken hat. Das Wittelsbacher,
Habsburger, das sächsische und auch das Hohenzollern-Geschlecht sind
selbst in schwierigen Zeiten die festen Säulen der Kunstbildung gewesen
und werden es auch in der Zukunft bleiben. Unter dem Schutze der
bürgerlichen Institutionen hat sich ein reges Kunstleben entwickelt, der
Kunsthandel gehoben, die Kunstgewerbe sind die Bliithe des städtischen
Gewerbes geworden. Heutigentags ist man gerne geneigt, die Stammes-
verschiedenheiten im deutschen Volke zu verwischen, und in der nationalen
Unilication des Volkes alles Heil für die nationale Kunstentwickelung zu
erblicken. Diese Auffassung ist aber eine ganz moderne, und historisch
wenig berechtigte. Was die Pflege der monumentalen Kunst, speciell der
Malerei betriEt, so muss betont werden, dass der deutsche Culturkampf
kein Mittel ist, diesen Zweig der Kunst zu befördern. Doch ist dies ein
Capitel, das hier nur angedeutet werden kann, da es eine selbständige
Behandlung verlangt.
Die geographische Lage Deutschlands bringt es mit sich, dass im
Westen die französische und die belgisch-niederländische Kunst, im Osten
') Der vollständige Titel des Werkes ist: nGeschichte der neueren deutschen
Kunst, nebst Excursen über die parallele Kunstentwickelung der übrigen Länder ger-
manischen und romanischen Stammes. Unter Mitwirkung von Fr. Pech: bearbeitet von
Franz v. Reben: z. Auü. 3 Bde. Leipzig, bei H. Haessel, 1884.