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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 237)

die Farbenscala eine sehr reiche. Staunenswerth ist die Sicherheit, mit der 
das italienische Kunstgewerbe die Figur behandelt, die plastische sowohl 
wie die gemalte. In den gewerblichen Zeichenschulen bereits wird auf 
das Figürliche ein großer Wert gelegt, ein viel zu großer vielleicht. Der 
Schüler ist im Stande eine Figur nach der Natur oft in schwieriger 
Stellung ganz correct zu zeichnen, aber es wird ihm nicht leicht, ein 
einfaches Bandornarnent in Renaissance-Ranken zu entwerfen. Bei ein- 
fachen Holzschnitzereien in Venedig eine vollkommen correcte Figur, voll 
lebendiger Bewegung zu finden, ist keine Seltenheit. Auf Möbeln ist 
das Figurale, Masken, Karyatiden etc., fast durchwegs gelungen, mitunter 
geradezu künstlerisch durchgeführt, das Ornamentale daneben oft ver- 
nachlässigt. Es tritt oft in diesem Punkte die bedauerlichste Stylverwir- 
rung zu Tage. Darin liegt einer der Hauptunterschiede in der kunst- 
gewerblichen Bildung Italiens und der unseren. 
Ueberwiegen bei der Fayence - und diese herrscht in Italien in 
der Keramik noch entschiedener vor als bei uns - die plastischen Deco- 
rationsarten, _so bietet andererseits "das Porzellan den Malern die meiste 
Gelegenheit zur Entfaltung einer ganz erstaunlichen Kunstfertigkeit. Meist 
sind es Gemälde moderner heimischer Künstler, die auf Platten, Schüsseln 
und Vasen reproducirt werden, mit all' der genialen Flottheit, dem 
Farbenreichthum, der Sicherheit des Pinsels, welche die Originale aus- 
zeichnet. Die Imitation geht so weit, dass wir genau unterscheiden 
können, ob das Original ein Oelbild oder ein Aquarell, ob es ein voll- 
endetes Gemälde oder eine Skizze ist. 
Auffallend ist, wie auf allen industriellen Gebieten, so namentlich 
in der Keramik die tiefe Kluft zwischen kunstindustriellen Leistungen 
und derxgewöhnlichen Gebrauchswaare. Ein Kunstgewerbe in unserem 
Sinne ist eigentlich das italienische gar nicht. Das rein Künstlerische 
überwiegt allzusehr; wir bewundern an einem Möbel mehr die Kunst 
des Bildhauers, als die des Tischlers oder Schnitzers, an einer Porzellan- 
schüssel mehr die des Malers, als die des Decorateurs. Die gewöhnlichen 
Gebrauchsgegenstände hingegen sind über die Maßen primitiv und roh. 
Von jenem Endideal der kunstgewerblichen Bewegung Mitteleuropa"; der 
allgemeinen Durchdringung auch der einfachsten gewerblichen Schöpfungen 
durch künstlerisch geläutertes Schönheitsgefühl ist Italien noch weit 
entfernt. ' 
Die Pflege der keramischen Industrie ist auf ganz Italien ziemlich 
gleichmäßig vertheilt. Die Majolika- und Fayenceerzeugung blüht vor 
Allem in den Provinzen Ligurien, Urnbrien und Neapel, dann in der 
Lombardie, speciell in Mailand. Letzteres ist neben Florenz auch der 
Hauptort der Porzellanmanufactur. 
An Reichhaltigkeit und künstlerischem Werthe der Objecte über- 
ragte die, nebenbei gesagt, auch etfectvoll und mit Geschmack arrangirte
	        
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