MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 239)

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angedeutet wurde, dem Holzschnitte ein gefährlicher Concurrent erwachsen 
in der sogenannten Photozinkographie, der Guillotage und ähnlichen mecha- 
nischen Vervielfältigungsrnethoden. Da sich das Negativbild einer jeden 
in Linienrnanier behandelten Zeichnung auf eine präparirte Zinkplatte 
derart übertragen lässt, dass auf dieser die Zeichnung erhaben erscheint, 
und eine solche Zinkplatte wie ein Holzstock oder ein Metallabklatsch 
desselben in den Letternsatz eingefügt werden kann, so ist die Mög- 
lichkeit gegeben, die Originalzeichnung des Künstlers ohne Dazwischen- 
kunft einer zweiten Hand auf der Buchdruckerpresse zu vervielfältigen, 
und von dieser Möglichkeit wird schon reichlich Gebrauch gemacht. Un- 
zählige in Büchern und Zeitungen in allen Sprachen der Welt angebrachte 
Abbildungen, welche das Publicum für Holzschnitt hält, sind auf jenem 
mechanischen Wege hergestellt. Wie gesagt, sinddiese Methoden der 
Reproduction an die Linienmanier gebunden. Doch auch diese Einschrän- 
kungdürfte bald durchbrochen werden. Ueberall stoßen wir ietzt auf 
in den Text wie Holzschnitt eingeschaltete Illustrationen, an deren Fuß 
der Name Meisenbach zu lesen ist. Das ist der Name des Erfinders 
eines Reproductionsverfahrens, durch welches nicht blos Linien, sondern 
Schattenmassen, getuschte oder gewischte Zeichnungen, Photographien 
nach der Natur in Hochdruck wiedergegeben werden können. Durch ein 
Netz feiner, sich rechtwinkelig kreuzendeir Linien sind die Schattenpartien 
in ein System winziger Quadrate, viereckiger Pünktchen aufgelöst, und 
diese kleinen Quadrate sind es, welche die Druckfarbe annehmen und 
im Pressendrucke an das Papier abgeben. Die durch das Meisenbach'sche 
Verfahren hergestellten Illustrationen befriedigten freilich Anfangs nicht, 
sie hatten etwas Flaues, wie schlechte Lithographien. Allein das Princip 
ist offenbar von Bedeutung; wer sich noch erinnert, wie die ersten Photo- 
graphien und Photolithographien aussahen, konnte sich durch die mangel- 
hafte Beschaffenheit dcrMeisenbaclfschen Arbeiten nicht abschrecken lassen, 
auch diesem Verfahren Entwickelungsfähigkeit zuzusprechen. Und über- 
raschend schnell ist diese Erwartung gerechtfertigt worden. Man braucht 
nur die in dem; Kataloge von Makart's Nachlass enthaltenen Reproductionen, 
welche nicht nach dem Meisenbaclfschen, aber doch einem verwandten 
Verfahren von Angerer 8c Göschl in Wien hergestellt-worden sind, zu 
betrachten, um sich zu sagen, dass nun der Umwandlung von Aufnahmen 
nach Gemälden, Architekturen u. s. w. in Platten für den Buchdruck nichts 
mehr entgegensteht, und dass also die photomechanische Technik abermals 
ein neues Gebiet des lllustrationswesens in Beschlag genommen hat. Ueber- 
haupt scheinen diese Processe uns noch viele Ueberraschungen bereiten 
zu wollen. ' 
Müssen wir danach das völlige Verschwinden der Holzschneidekunst 
besorgen? Schwerlich. Die Kunst wird durch keine Maschine ersetzt oder 
verdrängt. Die Photographie hat die Porträtmalerei nicht überflüssig 
gemacht, wie man einmal befürchtete, und mögen die Maschinen aller
	        
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