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angedeutet wurde, dem Holzschnitte ein gefährlicher Concurrent erwachsen
in der sogenannten Photozinkographie, der Guillotage und ähnlichen mecha-
nischen Vervielfältigungsrnethoden. Da sich das Negativbild einer jeden
in Linienrnanier behandelten Zeichnung auf eine präparirte Zinkplatte
derart übertragen lässt, dass auf dieser die Zeichnung erhaben erscheint,
und eine solche Zinkplatte wie ein Holzstock oder ein Metallabklatsch
desselben in den Letternsatz eingefügt werden kann, so ist die Mög-
lichkeit gegeben, die Originalzeichnung des Künstlers ohne Dazwischen-
kunft einer zweiten Hand auf der Buchdruckerpresse zu vervielfältigen,
und von dieser Möglichkeit wird schon reichlich Gebrauch gemacht. Un-
zählige in Büchern und Zeitungen in allen Sprachen der Welt angebrachte
Abbildungen, welche das Publicum für Holzschnitt hält, sind auf jenem
mechanischen Wege hergestellt. Wie gesagt, sinddiese Methoden der
Reproduction an die Linienmanier gebunden. Doch auch diese Einschrän-
kungdürfte bald durchbrochen werden. Ueberall stoßen wir ietzt auf
in den Text wie Holzschnitt eingeschaltete Illustrationen, an deren Fuß
der Name Meisenbach zu lesen ist. Das ist der Name des Erfinders
eines Reproductionsverfahrens, durch welches nicht blos Linien, sondern
Schattenmassen, getuschte oder gewischte Zeichnungen, Photographien
nach der Natur in Hochdruck wiedergegeben werden können. Durch ein
Netz feiner, sich rechtwinkelig kreuzendeir Linien sind die Schattenpartien
in ein System winziger Quadrate, viereckiger Pünktchen aufgelöst, und
diese kleinen Quadrate sind es, welche die Druckfarbe annehmen und
im Pressendrucke an das Papier abgeben. Die durch das Meisenbach'sche
Verfahren hergestellten Illustrationen befriedigten freilich Anfangs nicht,
sie hatten etwas Flaues, wie schlechte Lithographien. Allein das Princip
ist offenbar von Bedeutung; wer sich noch erinnert, wie die ersten Photo-
graphien und Photolithographien aussahen, konnte sich durch die mangel-
hafte Beschaffenheit dcrMeisenbaclfschen Arbeiten nicht abschrecken lassen,
auch diesem Verfahren Entwickelungsfähigkeit zuzusprechen. Und über-
raschend schnell ist diese Erwartung gerechtfertigt worden. Man braucht
nur die in dem; Kataloge von Makart's Nachlass enthaltenen Reproductionen,
welche nicht nach dem Meisenbaclfschen, aber doch einem verwandten
Verfahren von Angerer 8c Göschl in Wien hergestellt-worden sind, zu
betrachten, um sich zu sagen, dass nun der Umwandlung von Aufnahmen
nach Gemälden, Architekturen u. s. w. in Platten für den Buchdruck nichts
mehr entgegensteht, und dass also die photomechanische Technik abermals
ein neues Gebiet des lllustrationswesens in Beschlag genommen hat. Ueber-
haupt scheinen diese Processe uns noch viele Ueberraschungen bereiten
zu wollen. '
Müssen wir danach das völlige Verschwinden der Holzschneidekunst
besorgen? Schwerlich. Die Kunst wird durch keine Maschine ersetzt oder
verdrängt. Die Photographie hat die Porträtmalerei nicht überflüssig
gemacht, wie man einmal befürchtete, und mögen die Maschinen aller