45x
über den Sarkophagen der christlichen Kaiserzeit stehend mit ihren
gehäuften, großen und kleinen, aller künstlerischen Anordnung spotten-
den Figuren. Die Knabengestalten sind anmuthig gebildet und bewegt,
die Haltung ausdrucksvoll, nur die Köpfe leer und schematisch. Was
aber diesem Sarkophage noch ein besonderes Interesse verleiht, das ist
die Behandlung des Marmors, welcher überall glänzend polirt erscheint.
Und dies ist wohl hauptsächlich der Grund gewesen, dass sich die Ober-
Bäche so vortreflich erhalten hat wie aus der Hand des Bildhauers und
nirgends zerfressen ist. Unter der Kruste von Erde und Sand, welche die
meisten Figuren bedeckt, ist die glatte Fläche leicht herzustellen. Es ist
ein lehrreicher Umstand für unsere Bildhauer, zumal in dem neu ent-
fachten Streite über die Marmorwerke im Freien und ihre Dauerharkeit,
ein Umstand, der wiederum für die Glättung des Materiales spricht,
hier des Marmors wie sonst des Erzes.
Eine Reihe anderer Marmorwerke stehen dem Sarkophag zur Seite,
Fragmente von Figuren, die, wie das leider gewöhnlich ist, Köpfe und
Arme und FüBe verloren haben und nur mit ihrer Gewandung oder
einem T heile der Brust Zeugniss von ihrer Kunst ablegen. Unter ihnen
befindet sich ein zierlich ausgearbeiteter Aesculap, dann ein merkwürdiges
Doppelrelief, mit einer Darstellung auf beiden Seiten, auf der einen
Helios auf dem Sonnenwagen, auf der anderen Aphrodite Pandemos,
welcher allerlei Opfer dargebracht werden, auch archäologisch ein Werk
von großem Interesse; dann verschiedene Grabstelen, zum Theile mit
lnschriften, zum Theile mit Figuren, die, wenn auch nur von hand-
werksmäßiger Geschicklichkeit, doch lehren, wie geschmackvoll und
anmuthig sich so ein Figürchen in den Raum hineinstellen lässt; dann
ein paar Hände, eine colossal, die andere von natürlicher Größe, beide
von ganz vortreiflicher Durchbildung, und Anderes mehr.
Reicher an Zahl, wenn auch kleiner an Gestalt, treten der Marmor-
sculptur die Terracotten zur Seite, Figuren wie Gefäße. Jene, die
kleinen Terracottafiguren, haben seit einigen Jahren die Blicke der ganzen
kunstgebildeten Welt auf sich gelenkt, seitdem die Gräber von Tanagra
eröffnet wurden. Ueber diesen Tanagräern hat man fast vergessen, dass
man ihresgleichen auch anderswo gefunden hat, in Klein-Asien, Cypern,
Athen, Sicilieu u. s. w., wenn dieselben auch selten denen der böotischen
Stadt an Anmuth, Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit gleichkommen.
Eine ganze Reihe dieser reizenden Miniaturschöpfungen der Kunst zeigt
die Ausstellung des Grafen Lanckoronski, echte Tanagräer, wie insbe-
sondere auch Srnyrnioten und Aegyneten; schon lange war die Gegend
von Smyrna eine Fundstätte, Da sitzt ein zierliches Schulmädchen mit
ihrer Mappe wie auf einem Sopha, da reitet ein anderes auf einem Pfau,
da ist eine reizende Nike mit ausgebreiteten Flügeln, da sitzt eine alte
Wärterin und gibt einem Kinde aus der Flasche zu trinken, da sind
Genrefiguren, derb, alt und verrunzelt, volksmäßig nach Holländer Art,
34'