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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 240)

Ein neues plastisches Museum für Wien. ' 
Vortrag, gehalten im k. k. Oesterr, Museum für Kunst u. lndustrie am 5. Februar 1885 
von C. v. Lutzow. 
Unter unseren Augen, in den letzten fünfundzwanzig Jahren, ist Wien 
die alte Pilegestätte deutscher Dichtung und Musik, die Hauptstadt jenes 
unermesslichen Reiches, in welchem Haydn und Mozart, Beethoven und 
Schubert vereint das Scepter führen, auch in den bildenden Künsten, vor 
Allem in der Architektur, zu einer Großstadt ersten Ranges herange- 
wachsen. Um das ehrwürdige Centrum der mittelalterlichen Ansiedelung, 
den Stephansdom mit seinem schlanken Thurmriesen, um den in engen 
Gassen verborgenen Schatz der Adelssitze des Barockzeitalters hat sich 
der breite Gürtel der Ringstraße herumgelegt, besetzt mit dem strahlenden 
Geschmeide der neuen Monumentalbauten und Zinspaläste. Kein größerer 
Gegensatz ist denkbar, als der zwischen dem Wien der ersten Hälfte 
dieses Jahrhunderts und dem unserer Tage. Die Architektur blieb damals 
in bureaukratischem Zwang eingeengt; von höheren Aufgaben für die 
Plastik war Decennien lang nicht die Rede; die Fülle der malerischen 
Talente, ein Danhauser, Fendi, Gauermann, Waldmüller, Datfinger u. s. w. 
bewahrten den streng localen Charakter und fanden daher, trotz aller 
Gediegenheit und hohen Meisterschaft, nur in der Heimat volle Geltung. 
Jetzt ist Freiheit an die Stelle des Zwanges getreten; auf allen Gebieten 
der monumentalen wie der gewerblichen Kunst haben wir eine Reihe 
von Triumphen zu verzeichnen; das heimische Gepräge ist besonders 
unserer Malerschule fast ganz verloren gegangen; die Kunst ward inter- 
national; wie Makart, so arbeiten auch Pettenkofen, Leopold Müller, 
Ed. Charlernont u. v. A. für den Weltmarkt und reden die moderne 
künstlerische Weltsprache. 
Auch für die Museen, die großen Schatzkammern der bildenden und 
gewerblichen Künste, ist im heutigen Wien wie sonst allerorten, eine 
neue Zeit angebrochen. Die alten Galerien und Kunstkamrnern hatten, 
selbst in großen Städten, an vielbesuchten Verkehrsmittelpunkten, vor- 
wiegend einen privaten Charakter. lhr Besuch war erschwert, ihre 
wissenschaftliche Durchforschung behindert. Es galt für eine Gnade, 
wenn der Anblick ihrer Kostbarkeiten dem Publicum zugänglich gemacht 
wurde. Ein Galeriedirector und Custos alten Stils glich dem Burgwart 
_ oder Castellan, welcher mürrischen Gesichts den Reisenden die Ahnen- 
bilder und Prunkgemächer seiner Herrschaft zeigt. Wir dagegen sind 
geneigt, für Alles, was Museum und Sammlung, ja was Kunstbesitz über- 
haupt heisst, das Recht der vollen Oeffentlichkeit in Anspruch zu nehmen. 
Nichts Verborgenes wird in den Räumen der Galerien geduldet, selbst 
das Depöt - der Entdeckungsort oft lange verkannter Größen - bis 
zum letzten Winkel ausgeleert; Bauplan, Beleuchtung, Verwaltung: Alles 
dient in erster Linie dem Zwecke möglichst allgemeiner Nutzbarkeit.
	        
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