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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 240)

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Nicht zu vorübergehendem Ergötzen Einzelner, sondern zur geistigen 
Erhebung des ganzen Volkes, zur Bildung der Jugend vor Allem sollen 
die Tempel der bildenden Kunst, wie die Hallen der Dichtung und Musik, 
allezeit bereitwillig offen stehen. So will es der Geist unserer Epoche. 
Ich habe damit im Allgemeinen angedeutet, in welchem Sinne der 
Vorschlag zur Gründung eines neuen plastischen Museums 
gemeint ist, welchen ich heute machen will. Ueber die Nothwendigkeit, 
die Plastik in unseren Wiener Sammlungen ausgiebiger und glänzender 
zu vertreten, als es bisher geschehen ist, herrscht in der künstlerischen 
und in der gelehrten Welt wohl nur Eine Stimme. Die Sammlungen 
des Kaiserhauses, das Antikencabinet, das untere Belvedere, das Oesterr. 
Museum, die Akademie der bildenden Künste rühmen sich des 
Besitzes einzelner hervorragender Werke der Sculptur des orientalischen 
und classischen Alterthums, des Mittelalters und der neueren Zeit; hin 
und wieder werden glückliche Erwerbungen gemacht, wie die kürzlich aus 
Lykien nach Wien geschaiften, von attischem Geist erfüllten Reliefbild- 
werke oder die aus Cypern stammende Aphroditestatue - aber im Ganzen 
erweist sich die Repräsentation der Plastik in unseren Museen als höchst 
mangelhaft, und verblasst vollends, wenn man ihr das leuchtende Bild 
der Belvedere-Galerie mit ihren Perlen venetianischer, niederländischer 
und deutscher Malerei zur Seite stellt. 
Wird es möglich sein, die Lücken durch Anschaffungen von Ori- 
ginalwerken der Sculptur allmälig auszufüllen? Wir müssen es bezwei- 
feln! Dazu gehörten, außer hundertfach vermehrten Mitteln, vor Allem 
eine Reihe so selten günstiger Gelegenheiten, wie sie sich in Pergamon, 
in Gjölbaschi und beispielsweise bei dem Ankauf aus den Pracbtgemächern 
des Palazzo Strozzi den nordischen Museenverwaltungen dargeboten haben. 
Und selbst dann bliebe zu befürchten, dass derartige glückliche Funde 
oder Erwerbungen immer nur einzelnen Sammlungefoder Abtheilungen 
erhöhten Glanz verleihen, dass andererseits aber der Mangel einer um- 
fassenden Sculpturensammlung allgemeinen Charakters und 
großen Stils trotzdem fühlbar bleiben würde. 
Man hat daher den Plan gefasst, was in Originalen nicht zu erreichen 
ist, durch Nachbildungen zu beschaffen. Das war die Genesis des 
Gedankens der Anlage eines neuen Museums von Gypsabgüssen. 
Nicht nur in Künstler- und Gelehrtenkreisen ist der Gedanke wiederholt 
aufgetaucht, sondern er hat auch in der Volksvertretung durch den Mund - 
des Abgeordneten Grafen Gundacker Wurmbrand in der Sitzung des 
Reichsraths vom 19. März v. J. beredten Ausdruck gefunden. Je seltener 
in den modernen Parlamenten eine Stimme zu Gunsten der künstlerischen 
und kunstgelehrten lnteressen sich erhebt, um so freudiger haben wir 
diesen hoünungerweckenden Klang begrüßt. Ein Comite von Künstlern, 
Gelehrten und Kunstfreunden bildete sich unter dem Vorsitze des Direc- 
tors des k. k. Oesterr. Museums, und im Schoße der Berathungen
	        
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