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Letztere muss der Zweck einer stilvollen Decoration derartiger Museums-
räume sein. Es handelt sich hier ja nicht um Ausschnitte aus der Natur,
sondern um Bilder der Cultur, in denen die Kunst den Mittelpunkt
des Interesses bildet. Wenn ich mir also die gesammte Decoration und
Ausstattung unseres neuen Museums höchst einfach denke, so könnte der
Architekt desselben andererseits in der Gestaltung und Gruppirung
der Museumsräume meiner Meinung nach dennoch einen großen Reich-
thum, die wechselvollste Mannigfaltigkeit entwickeln, etwa so, wie uns
dies die Anlagen der altrömischen Thermen lehren. Das proponirte
Gruppen- und Pavillonsystem böte dazu die passendste Grundlage; Höfe
können mit Sälen, Hallen mit Galerien abwechseln; an die größeren
Räume werden kleinere Zimmer sich anschließen. Schon darin besäße
der Architekt ein Mittel zur Stilcharakteristik. Denn wir wissen
ja, wie verschieden entwickelt der Raumsinn der Völker war, wie bei
dem einen Volke Streben nach Massenhaftigkeit und Raumgröße Hand
in Hand gehen, bei dem andern hingegen auf's Merkwürdigste contrastiren.
Was kann es Massigeres und Gewaltigeres geben als die Pyramiden und
Pylonen der Aegypter? Dem ägyptischen lnnenbau dagegen fehlt jede
räumliche Freiheit; Dichtsäuligkeit, Massigkeit herrschen dort. Im Riesen-
säulensaal von Karnak sieht man den Saal vor lauter Säulen nicht. Erst
bei den Römern zeigen sich Raum und Masse vereint, Eines durchdringt
das Andere. Man könnte sagen, der architektonisch gegliederte, kühn
überwölbte Raum der Römerbauten sei das künstlerische Spiegelbild der
römischen Weltherrschaft. Und wie sich so die verschiedenen Volksnaturen
und Weltepochen in der Gestaltung unseres Museums bezeichnend
charakterisiren ließen, so müsste selbstverständlich z. B. innerhalb der
den Römern gewidmeten Räumlichkeiten wieder zwischen den Gemächern
für die pompejanische Kunst und für ihr kleines, poetisch erfundenes
Zierwerk und zwischen den Hallen und Sälen für die römischen Götter-
und lmperatorenstatuen, für die Architekturstiicke von den Triumphbögen
und für die Reihen der herrlichen Porträtbüsten räumlich unterschieden
werden. Wieder andere, je nach den Zeitcharakteren sich verschiebende
Gesichtspunkte gelten für das Mittelalter und die Renaissance. Da können
wir uns z. B. die Fülle der malerisch in Baldachinform oder als Wand-
grab ecnporgebauten Denkmäler in einer offenen, dem Camposanto nach-
gebildeten Halle vereinigt denken; durchaus verschieden davon müsste
die Lösung derjenigen Räume sein, in denen die zierliche Pracht der
Frührenaissance mit ihrer goldschmiedmäßig feinen, realistischen Sculptur
zur Geltung gelangen soll; und wiederum anders geartet die Säle der Hoch-
renaissance, in denen Michelangelds David und Medicäergräber den Ton
anzugeben haben und der Platz geschalfen werden muss, von welchem
aus der Moses vom Grabmale Julius Il. die ihm vorn Künstler zugedachte
dominirende Wirkung übt.