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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 241)

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Letztere muss der Zweck einer stilvollen Decoration derartiger Museums- 
räume sein. Es handelt sich hier ja nicht um Ausschnitte aus der Natur, 
sondern um Bilder der Cultur, in denen die Kunst den Mittelpunkt 
des Interesses bildet. Wenn ich mir also die gesammte Decoration und 
Ausstattung unseres neuen Museums höchst einfach denke, so könnte der 
Architekt desselben andererseits in der Gestaltung und Gruppirung 
der Museumsräume meiner Meinung nach dennoch einen großen Reich- 
thum, die wechselvollste Mannigfaltigkeit entwickeln, etwa so, wie uns 
dies die Anlagen der altrömischen Thermen lehren. Das proponirte 
Gruppen- und Pavillonsystem böte dazu die passendste Grundlage; Höfe 
können mit Sälen, Hallen mit Galerien abwechseln; an die größeren 
Räume werden kleinere Zimmer sich anschließen. Schon darin besäße 
der Architekt ein Mittel zur Stilcharakteristik. Denn wir wissen 
ja, wie verschieden entwickelt der Raumsinn der Völker war, wie bei 
dem einen Volke Streben nach Massenhaftigkeit und Raumgröße Hand 
in Hand gehen, bei dem andern hingegen auf's Merkwürdigste contrastiren. 
Was kann es Massigeres und Gewaltigeres geben als die Pyramiden und 
Pylonen der Aegypter? Dem ägyptischen lnnenbau dagegen fehlt jede 
räumliche Freiheit; Dichtsäuligkeit, Massigkeit herrschen dort. Im Riesen- 
säulensaal von Karnak sieht man den Saal vor lauter Säulen nicht. Erst 
bei den Römern zeigen sich Raum und Masse vereint, Eines durchdringt 
das Andere. Man könnte sagen, der architektonisch gegliederte, kühn 
überwölbte Raum der Römerbauten sei das künstlerische Spiegelbild der 
römischen Weltherrschaft. Und wie sich so die verschiedenen Volksnaturen 
und Weltepochen in der Gestaltung unseres Museums bezeichnend 
charakterisiren ließen, so müsste selbstverständlich z. B. innerhalb der 
den Römern gewidmeten Räumlichkeiten wieder zwischen den Gemächern 
für die pompejanische Kunst und für ihr kleines, poetisch erfundenes 
Zierwerk und zwischen den Hallen und Sälen für die römischen Götter- 
und lmperatorenstatuen, für die Architekturstiicke von den Triumphbögen 
und für die Reihen der herrlichen Porträtbüsten räumlich unterschieden 
werden. Wieder andere, je nach den Zeitcharakteren sich verschiebende 
Gesichtspunkte gelten für das Mittelalter und die Renaissance. Da können 
wir uns z. B. die Fülle der malerisch in Baldachinform oder als Wand- 
grab ecnporgebauten Denkmäler in einer offenen, dem Camposanto nach- 
gebildeten Halle vereinigt denken; durchaus verschieden davon müsste 
die Lösung derjenigen Räume sein, in denen die zierliche Pracht der 
Frührenaissance mit ihrer goldschmiedmäßig feinen, realistischen Sculptur 
zur Geltung gelangen soll; und wiederum anders geartet die Säle der Hoch- 
renaissance, in denen Michelangelds David und Medicäergräber den Ton 
anzugeben haben und der Platz geschalfen werden muss, von welchem 
aus der Moses vom Grabmale Julius Il. die ihm vorn Künstler zugedachte 
dominirende Wirkung übt.
	        
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