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andere, in welcher das Streben zu Tage tritt, nationale Motive zur Geltung
zu bringen. Der ersten Gruppe gehört die überwiegende Mehrzahl der
Möbel an und zwar finden wir hier der Renaissance, gegenüber dem Barock
und Rococostyl, den Vorzug gegeben. Eine hervorragende und wahrhaft
mustergiltige Leistung ist hier ein Schlafzimmer mit reizendem Erker-
Ausbau, entworfen von dem Architekten und Professor der Kunstgewerbe-
schule Schickedanz in Pest und ausgeführt von J. König daselbst. Die Wände
bedeckt bis zu halber Höhe eine schöngegliederte, mit zartem lntarsia-
ornamente verzierte Wandvertäfelung, welche von einer reich proülirten
Thür unterbrochen wird. Sämmtliche Möbel sind aus edlen, in ihren
Farben ungemein harmonisch zusammenstimmenden Hölzern mit tadel-'
loser Exactheit ausgeführt, und es wäre nur zu wünschen, dass ein
Kunsttischler, der solches zu leisten im Stande ist, auch dementsprechende
Aufträge erhalte. Ein zweites Zimmer, das ebenfalls von diesem jungen
talentvollen Architekten entworfen ist, kann zwar nicht als ebenso
gelungen bezeichnet werden, wie das vorher erwähnte, da hier das
Streben nach Originalität zu nicht genügend motivirten Detailformen
verleitet hat, zählt aber trotzdem zu den besten lnterieurs der Aus-
stellung. Hieher gehört auch ein vom Architekten Professor Uhl in Pest
entworfenes Speisezimmer, das, für ein altes Schloss bestimmt, verhält-
nissmäßig einfach und sehr stimmungsvoll componirt ist. Ein anderes
Speisezimmer von Dösa Festverek in Pest, mit durchwegs chinesischen
Motiven, verdient wegen seiner mühevollen und exacten Ausführung volle
Anerkennung. Eine Ungeheuerlichkeit dagegen, die ihresgleichen auf der
Ausstellung wenig hat, ist das Speisezimmer des Pester Tischlers Paal
Gergely, entworfen von einem Herrn Brockhammer; Sopha, Credenz und
Spiegel werden von je zwei regelrechten Thürmen Hankirt, die sich in
drei bis vier Geschossen aufbauen und von einer reichen Bedachung
bekrönt werden. - Dass man es auch in Pest für zweckmäßig findet,
Thürfüllungen an Schränken mit Butzenscheiben zu versehen, darf Nie-
manden wundern, nachdem der Westen an diesem Widersinn schon seit
Jahren so großen Gefallen findet.
in gewisser Beziehung interessanter ist die zweite Gruppe der
Möbel, jene mit nationalen Motiven. Inwieweit hier das Eine oder Andere
mehr oder weniger gelungen ist, das hängt natürlich von dem Geschick
des betreffenden Künstlers ab. Von wesentlicher Bedeutung ist hier aber
nicht die Einzelerscheinuug, sondern das Princip, die Frage, soll die
ungarische Kunstindustrie sich auf nationaler Basis, und zwar auf natio-
naler Basis im weitesten Sinne genommen, denn die ungarischen Slaven
sind an solchen Motiven viel reicher wie die Magyaren, weiter zu ent-
wickeln trachten, oder soll sie dieselbe blos als willkommene Beigabe
ansehen, die ab und zu am rechten Orte Verwendung finden kann? _
Um mit den nationalen Motiven bekannt zu werden, müssen die Künstler
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