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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 242)

Es kommt ja nur auf eine gewisse glänzende Fernwirkung an, die leicht 
erreicht wird, und das unedle Material scheint es nicht besser zu ver- 
dienen. Dasselbe ästhetische Gesetz wie bei Messing oder seinem Sur- 
rogate, so scheint? es, sollte auch für Kupfer gelten, und die alten 
Kupferschmiede haben es auch beobachtet. Dem entgegen hat nun Seitz 
in München (und in Hamburg geschieht desgleichen) eine Anzahl größerer 
und kleinerer Kupfergefäße in Nürnberg zur Ausstellung gebracht, deren 
getriebene Reliefverzierung mit einer Feinheit und Vollendung ausgeführt 
ist, wie wir dieselbe nur an kostbaren Silbergefäßen zu sehen gewohnt 
sind. Die Gegenstände haben um desswillen viel Beifall gefunden; nichts- 
destoweniger scheinen sie uns eine Verirrung zu sein, denn es ist zu viel 
edle Arbeit an ein unedles Material verwendet, welches sie gar nicht 
verdient. Eines schickt sich nicht für Alle. Von diesem Standpunkte der 
Betrachtung aus scheinen uns die Wiener Bronzen der Firma Hanusch 
6c Dziedzinski, wie [wir sie in Nürnberg und Antwerpen sehen, neben 
denen der Firmal-lollenbach, vor allen anderen auf dem richtigen Wege 
zu sein. Ihrem echten Kunstmateriale entspechend verrhinden sie künst- 
lerische Form mit gediegener, vollkommener, bis zu einem gewissen 
Grade fein durchgebildeter Ausführung. 
Was München an diesem Kupfergeräthe von Kunstarbeit ver- 
schwendet hat, das hat es für seine Gefäße und Geräthe aus edlem 
Metalle richtiger verwerthet. Die Münchener sind stolz auf die Werke 
ihrer Goldschmiedekunst, und sie haben dieselben in stattlicher Zahl und 
Größe nach Nürnberg gesendet. Es ist auch gar nicht zu leugnen, dass 
sie einen imponirenden Eindruck machen, der sich allerdings durch die 
Wahrnehmung verringert, dass wir viele dieser Gegenstände schon öfter 
gesehen haben. Und ebensowenig wird man entschiedene Vorzüge an 
ihnen in Abrede stellen können, unter denen wir eine gewisse phantasie- 
volle Freiheit der Erfindung besonders schätzen. Aber dennoch gefällt 
uns die ganze Art nicht. Es ist eine Willkür, die an Wildheit streift, 
wie denn die ganze Auffassung der sogenannten deutschen Renaissance 
im Sinne der Münchener Künstler und Kunstgelehrten und des Münchener 
Gewerbes solcher Tendenz sich zuneigt. Wer das Auge an italienische 
Kunst und griechische Art gewöhnt hat, wird immer reinere Form, edlere 
Contour und, wenn auch reich gegliederte, doch mehr regelmäßige Ge- 
staltung verlangen, und diese Eigenschaften besitzen auch die Werke 
der deutschen Goldschmiedekunst im sechzehnten Jahrhunderte. Was in 
Deutschland heute unter deutscher Renaissance verstanden und praktisch 
geübt wird, ist zugleich zu eng und zu weit aufgefasst, zu eng für das 
weite Reich der Kunst und des Geschmackes und zu weit vom Stand- 
punkte der Schönheit. (wWr. Ztgnt, Sept. 1885.)
	        
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