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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 242)

allein schaffenden Handwerk darin, dass sie bei gleichem Materiale und 
nicht viel größeren Arbeitskosten den Werth des Productes um das Zehn- 
fache erhöht. Bei diesem Bestreben galt es vor Allem, an die bisher 
gepflogene Technik anzuknüpfen, der Industrie nichts im Wesen Fremdes, 
vom Grund an Verschiedenes einzuimpfen. Wie die Verwendung des 
starken Zwirnfadens wesentlich den Styl der Hotzenplotzer Spitze bedingt 
hatte, so musste auch jetzt an möglichst reinen geometrischen Formen 
festgehalten werden. Die erste Bedingung einer industriellen Unternehmung, 
sofern sie sich auf dem Markte Geltung verschaffen will, ist das Fest- 
halten an einer gewissen Eigenart. Verlangen wir ja doch selbst von 
einzelnen Firmen, mögen sie der keramischen, der Metallwaarenbranche, 
der textilen oder der Glasindustrie angehören, dass ihre Erzeugnisse ein 
bestimmtes individuelles Gepräge zeigen, welches sie von denen anderer 
unterscheidet. Darauf beruht nicht in letzter Linie das Renommee unserer 
großen Kunstindustriellen. Wenn eine Firma, deren Bemühungen auf 
nichts Anderes, als auf die Herstellung möglichst getreuer Nach- 
ahmungen von Producten ihrer Concurrenten gerichtet ist, sich keinen 
gesicherten Posten auf dem Weltmarkte wird erwerben können, so wird 
dies umsoweniger einer Industrie gelingen, deren Betrieb in den Händen 
Vieler liegt, von Leuten, welche die Bedürfnisse des Marktes nicht kennen, 
seinen Fluctuationen nicht im Stande sind nachzugehen. Die Hotzenplotzer 
Spitzenindustrie hätte sehr wenig Aussicht, einmal aus ihrer bisherigen 
Beschränkung heraustreten zu können, wollte sie etwa den Erzgebirgs- 
spitzen oder den französischen nacheifern. Ihren Traditionen treu, griff 
man daher zu jenen Spitzensorten, welche das klare geometrische Dessin 
zu höchster künstlerischer Vollendung verwerthet zeigen, zu den alt- 
venezianischen des t7. Jahrhunderts und den niederländischen Guipuren, 
jenen prachtvollen Formen, wie sie Jedermann schon in den Gemälden 
niederländischer Meister bewundert hat. Aus sternförrnigen, r0setten- 
artigen Mustern bestehend, die sich scharf von dem Netzgrunde abheben, 
oder in gebrochenen Linien zu schwungvollen Rankenwindungen sich 
zusammensetzend, sind die beiden genannten Spitzensorten unstreitig die 
schönsten von allen und im Vergleiche zu den capriciösen, formlosen, 
wildverworrenen, wenn auch mit stupender Geschicklichkeit gearbeiteten 
Spitzen des 18. Jahrhunderts diejenigen, welche für die neuere Kunst- 
industrie immer mehr vorherrschend werden. Die von Dr. Hartig an 
Ort und Stelle eingezogenen Erkundigungen führten bald zu einem 
praktischen Resultate. Die schlesische Kammer beschloss im Einvernehmen 
mit der Gemeindevertretung von l-Iotzenplotz eine Anzahl der geschick- 
testen Spitzenklöpplerinnen zu einem Unterrichtscurse, unter der Leitung 
einer erprobten Lehrerin zu vereinigen, welche in der Person der Vor- 
steherin einer Wiener Spitzenschule, Frau Josefine Sigris, gewonnen 
wurde. Die Gemeinde stellte das Unterrichtslocale unentgeltlich zur Ver- 
fügung und fügte der von der Kammer für die Kosten des Unterrichtes,
	        
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