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des großen Gebäudes gestattet. So vornehm wie der Raum, so vornehm
die Gegenstände und das Arrangement - in beiden erscheint ein völlig
anderer Geist als z. B. in napoleonischer Zeit auf der Pariser Ausstellung
von 1867. Die dunkelrothen Wände schmücken (nicht bedecken) Gobelins,
die, mit einer Ausnahme, nicht farbensatte Oelgemälde copiren, sondern
in Composition wie Farbe decorativ wie Füllstücke einer reichen, aber
edlen Wohnung gehalten sind, Blumenstücke oder landschaftliche Bilder,
gleichgestimmt und harmonisch abgetönt, mit passender Bordure umgeben.
Die Porzellangegenstände stehen auf Tischen und Etageren an den Wänden
und in den Bogenölfnungen, frei, zahlreich und doch nicht gehäuft, wie
edler Schmuck eines Salons. Das Ganze, neben der Ausstellung des
Wiener Kunstgewerbevereines so ziemlich das einzige künstlerische Arran-
gement in Antwerpen, macht einen äußerst wohlthuenden Eindruck.
_Fast mehr noch aber ist man überrascht, wenn man an die Gegen-
stände selbst herantritt und sie mit dem vergleicht, was die Sevres-Fabrik
einst geleistet hat und was sie im tg. Jahrhundert und namentlich noch
in jüngster Zeit gewesen ist. Seit ihrer Gründung oder vielmehr seit
ihrer Umgestaltung zu einer königlichen Fabrik in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts hat diese Anstalt den Hauptnacbdruck auf die Malerei
gelegt; damals aber, in den Zeiten des XV. und XVI. Ludwig, insofern
mit einigem Rechte, als die damals gebrauchte weiche Masse (päte tendre)
für den Schmelz reizender Farben besonders geeignet ist und damit der
weichen Masse und somit dem Sevres-Porzellan einen gewissen Vorzug
in kunstgebildeten, fein emptindenden Augen verlieh. Es kam dazu, dass
auch in iener Epoche die Form der Gefäße keineswegs vernachlässigt
wurde, und wenn sie, noch unter der Nachwirkung des Rucoco stehend,
meist capriciöse, von strenger griechischer Art gar weit abweichende
Gestaltung annahm, so standen diese unregelmäßigen, launenhaften Bil-
dungen, von den Eigenschaften eines feinen Materiales und eines zarten,
delicaten Geschmackes gemäßigt, doch in voller Harmonie mit den rei-
zenden Farben und der duftigen Miniaturrnalerei. Immerhin, wenn auch
für diese alten Sevres-Arbeiten heute nNarrenpreisex gezahlt werden, so
sind sie doch Kunstwerke von eigener und eigenthümlicher Schönheit,
an denen man seine Freude haben kann.
Diese Harmonie zwischen Form und Malerei ging aber der Sevres-
Fabrik auf dem Wege durch Republik und Kaiserthum, durch den Ge-
schmack des Empire, verloren, und insbesondere seit der Zeit, als die
weiche Masse mit der harten, auf welcher die Farben trockener liegen,
vertauscht wurde. Je mehr die Formen der Gefäße in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts steifer und reizloser wurden, je mehr wurde der
Werth und der einzige Werth auf die Malerei gelegt, so dass das Por-
zellan derselben nur einen anderen Untergrund bot wie Leinwand oder
Papier oder die Holztafel. Die Malerei bedurfte in dieser Richtung große
Flächen, und so wuchsen die bescheidenen Vasen von ehedem zu Riesen-