126
Jeder täglich zu thun hat, ob er ein modernes Buch aufschlägt, eine illustrirte Zeitung
durchblättert, eine Kunstausstellung oder ein Museum betritt, darüber will er doch,
und sei es auch nur in grossen Zügen, unterrichtet sein. Diesem allgemeinen
Wunsche kommt das Unternehmen auch insoferne entgegen, als der historische Theil
erst nachfolgen wird, und die ersten zwei Bände ausschließlich der vervielfaltigenden
Kunst der Gegenwart gewidmet sein werden. Zu dieser Schilderung lieferte die Graphi-
sche Ausstellung in Wien vom Jahre 1883 ein ebenso reichhaltiges als übersichtliches
Materiale. Der Holzschnitt, der Kupferstich, die Radirung, die Lithographie, der Farben-
druck, die photochemischen Reproductionsarten, wie die Heliogravure und Phototypie
mit ihren Nebenzweigen und zahlreichen Anwendungsarten werden in vielen und muster-
giltigen Beispielen das Verständniss des Textes nicht allein erleichtern, sondern schon
an und für sich als belehrendes Material dienen. - Das erste Heft beginnt mit einer
Einleitung von C. v. Lützow, welche in klarer und fesselnder Weise die Entwicklung
der vervielfältigenden Künste der Gegenwart schildert, von der Wiedereinführung des
Holzschnittes durch Thom. Bewick bis auf Adolf Menzel, der dem modernen deutschen
Holzschnitte die richtigen Wege wies, während in Oesterreich dieselben zuerst von Blasius
Höfel (1792-1863) betreten wurden. Es würde jedoch zu weit führen, der interessanten
Schilderung Lüt1ow's eingehender 'zu folgen, dagegen darf es nicht unerwähnt bleiben,
dass sechzehn Text-Illustrationen die Ausführungen des Autors begleiten und sieben
Kunstbeilagen in verschiedenen Reproductionsarten den künstlerischen Werth des Werkes
erhöhen. - Das Werk erscheint in ungefähr 12 Heften mit je z bis 3 Bogen reich
illustrirtem Texte nebst mindestens sechs Blättern verschiedener Reproductionen ausser
dem Texte in zwei Ausgaben, von denen die Mitgliederausgabe per Heft 2 G. 50 kr.,
die Luxusausgabe auf japanischem Papier per Heft 7 B. 50 kr. kostet. F-s.
i
Süditalienische Fliesenornamente nach Originalaufnahrnen herausgegeben
von J. E. Jacob sthal, Professor an der königl. Technischen Hoch-
schule zu Berlin. Berlin, E. Wasmuth, 1886. F01. M. 65.
Dieses Werk bildet in zweifacher Beziehung eine Ergänzung zu den verschiedenen
Publicationea von Bodenfliesen, einmal geographisch, indem Süditalien die Objecte ge-
liefert hat, dann zeitlich, indem diese Obiecte noch heute zu Vietri am Busen von
Salerno u. a. O. fabricirt werden. Es handelt sich also hier um die Fixirung eines
Stückes Volksindustrie, welches dem allgemeinen Laufe der Dinge nach über kurz oder
lang von der Großindustrie aufgesogen werden wird, und gleichzeitig um den Antritt der
Erbschaft an Motiven schon während des Lebens des Erblassers. Die 30 Farbentafeln
liefern eine beträchtliche Anzahl solcher Motive, in welchen theils antike oder mittel-
alterliche Formen nachklingen, die in anderen Fällen einen entschieden modernen
Charakter tragen, die aber fast durchgängig durch die Art der Bemalung die Herstellung
eines reichen Musters aus quadratischen Platten ermöglichen. In der Einleitung weist
der Herausgeber im Einzelnen die Tendenz nach, durch Stern- oder Rosettenform oder
Bandvcrschlingungen u. s. w. das quadratische Schema zu durchbrechen. Ein Mitarbeiter,
Architekt Knochenhauer, unterrichtet ausführlich über die Art der Herstellung dieser
aus freier Hand bemalten Fliesen. Die Zusammenstellung der Muster auf den Tafeln
war selbstverständlich durch das Vorkommen derselben Farben bedingt; doch dünkt uns,
dass in den meisten Fallen ein viel kleineres Stück der belegten Bodenßäche für den
Historiker wie für den Praktiker genügt haben würde, und dass mithin das Werk durch
mäßigeren Preis größeren Kreisen hätte zugänglich gemacht werden können. B.
Ü
Bernard Palissy. Par Philippe Burty. Paris, J. Rouam (1886). gr. 8".
57 S. mit 20 Illustrationen.
Das Erscheinen dieses neuen Abrisses alles dessen, was über B. Palissy als Mensch,
Philosoph, Forscher, Erfinder, Künstler, Techniker u. s. w. mit den kürzesten Worten
gesagt werden kann, muss schon allein durch den Umstand seine Rechtfertigung finden,
dass das in Rede stehende Werkchen den Bestandtheil einer in zwangloser Reihenfolge
erscheinenden Sammlung in sich abgeschlossener Monographien bildet (nLes artistes
celebresn), welche in compendiösester Form das Wirken von, verschiedenen Ländern und
Zeiten angehörenden Künstlern classischer Bedeutung schildern. Dass in einer solchen
Serie, aus der sich Jedermann nach seinem Bedürfnisse, die ihm wichtig scheinenden
Abhandlungen zum Hand- und Hausgebrauche zusammenstellen mag, B. Palissy nicht
fehlen durfte, steht außer Frage. Das Werkchen gibt kurzen Aufschluss aber die Umstände,
unter welchen im 18. Jahrhundert die Erkenntniss von Palissy's Bedeutung zur Wieder-