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gelblich getöntem Atlas ausgestellt, der in jeder Beziehung tadellos genannt
zu werden verdient. Die Zeichnung stammt vom Agramer Dombaumeister
Belle, die Ausführung selbst aber, welche von der Frau des Entwerfers,
einer ehemaligen Schülerin unserer Fachschule, geleitet wurde, ist echte
Klosterarbeit und rehabilitirt vollständig den Ruf dieser altehrwürdigen
Kunstübung.
Wenn man gemäß dem alten Spruche, dass man nicht für die
Schule, sondern für's Leben lernen soll, nach dem Einflüsse frägt, den
die Schulen außerhalb ihrer Stuben verbreitet haben, dann muss der-
jenige, der Mitglied der Aufnahmsjury gewesen ist, leider sagen, dass
von den vortrefflichen Leistungen der Schule draußen in der großen
stickenden Damenweltmoch sehr wenig zu verspüren ist. Die geringe
Zahl'der ausgestellten Damenarbeiten, d. h. Arbeiten von Frauen, die
aus der Stickerei nicht Beruf machen, gibt dem Besucher zu denken und
ist auch nur daraus zu erklären, dass die größere Hälfte der eingesen-
deten Gegenstände von der Jury zurückgewiesen werden musste. Wenn
man bei den Weihnachts-Ausstellungen der Siebziger Jahre sich glücklich
schätzte, Gegenstände ausstellen zu können, die wenigstens nach einer
Richtung - etwa der Ausführung nach - genügten, wobei man über
mangelhafte Zeichnung oder schlechte Farbenstimrnung hinwegsehen
musste, so hat man diesmal, da die Schulen seit Jahren vollkommen
Mustergiltiges zu schaden wissen, den nachsichtigen Maßstab fallen lassen
und rigorose Strenge geübt, um den minder Kundigen nicht etwa über
Werth und Unwerth irrezuführen. Die Fachschule, die nun fast alle
durch die Nadel erzielbaren Techniken zu üben weiß, hat reichlich zu
thun, um das Gewonnene zum Gerneingute werden zu lassen und wenn
erst unsere Damen dasjenige beherrschen werden, was die erste Classe
leistet, dann wird man sagen können, dass die Wiedergeburt der Stick-
kunst sich vollzogen hat.
Eine Beschleunigung dieses Processes wäre zu erwarten, wenn die
Industrie sich lebhafter desselben annehmen würde. Das Verhältniss der
Stickereigeschäfte zur Reform ist somit ein sehr wichtiges und
deshalb wurde ihnen auch die Aufnahme in die Ausstellung eingeräumt,
von der sie aber leider nur geringen Gebrauch gemacht haben. So ist
C. Giani jun. in der Ausstellung gar nicht vertreten; erst nachträglich
hat eine in diesem Atelier angefertigte, vom Fürsterzbischof Simor be-
stellte Mitra in den Räumen des Kunstgewerbevereines für kurze Zeit
Aufstellung gefunden. Immerhin sind die wenigen erschienenen Firmen
sehr gut repräsentirt, namentlich Kunz 8: Mößmer, L. Nowotny und
R. Heller. Diese Abtheilung deckt sich übrigens vielfach mit derjenigen
der Privatschulen, indem die Inhaberinnen der letzteren als Stickerinnen
von Beruf auch für den Markt arbeiten. Frau P. Kabilka hat dagegen ver-
zichtet, die gegenwärtigen Leistungen ihres Etablissements vorzuführen
und dafür in äußerst dankenswerther Weise Specimina der verschiedenen