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verbreitet sich über die ästhetischen Gesetze der Behange und Wandbekleidungen
(Hangings), weitere zwei Capitel handeln von Kleidern und kirchlichen Stickereien.
Nachdem die Verfasserin, überall nur das Ganze im Auge behalteud, den prähistorischen
Zeiten dieselbe Aufmerksamkeit wie etwa den Tagen Heinrich VIII. zu Theil werden
ließ, weiss sie auch ihrem patriotischen Gefühle Genüge zu thun, indem sie das Schluss-
capitel der englischen Nadelarbeit widmet, die, nach ihrer Ansicht wenigstens, im Mittel-
alter die Stickkunst aller übrigen europäischen Volker weitaus übertraf. Das Buch ist
anziehend geschrieben und fußt auf einer umfassenden Belesenheit; die Verfasserin hat
auch von den Grafschen Funden Notiz genommen, wenngleich sie dieselben nur aus
dem Kataloge kennt, auf welchen zahlreiche Cttate verweisen. Die Ausstattung ist eine
prächtige; die zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt oder Phototypie sind vollendete
Erzeugnisse des englischen Kunstdruckes. Rgl.
es
Wohnräume aus Steiermark. Drei vollständige Holztäfelungen aus den
Jahren i568. 1596 und 1607. Aufgenommen und herausgegeben von
Carl Lacher. Graz, Fr. Goll, 1886. F01. H. 5.
Jene einfache und auf lange Dauer berechnete Solidität, wie sie die Wohnräume
des Bürger- und Bauernstandes der Vorzeit haulig auszeichnet, spricht gar behaglich auch
aus jenen Innenraumen aus gsteiermark, die uns der Herausgeber in sieben Lichtdrucken
nach gewissenhaft gezeichneten Aufnahmen verführt. Charakteristisch ist es bei allen
diesen Wohnräumen, dass die Zimmertbüren den I-Iauptschmuck derselben bilden. im
ersten Zimmer sehen wir die Eingangsthüre von einer kräftig profilirten, mit einem
Giebel verzierten Umfassung versehen. Schlicht profilirte Lisenen gliedern die Wand-
tafelung, deren Einformigkeit Wandschränke verschiedener Art, hübsche Tragbretter und
bequeme Bänke angenehm unterbrechen. Je zwei Fenster an der Lang- und Schmalseite
in breiten, flachgewolbten Fensternischen beleuchten den behaglichen Raum. Das zweite
Zimmer, mit etwas großerem künstlerischen Aufwande ausgeführt, ist in ähnlicher Weise
ausgestattet, gewinnt aber namentlich durch eine schon gegliederte Holzdecke und die
Anwendung von vier verschiedenen I-lolzgattungen ein vornehmeres Gepräge. Im dritten
Zimmer wird uns eine weitere Steigerung an decorativem Aufwande vorgeführt. Die
Eingangsthüren sind von Nischen und Säulen mit reich durchgeführter Bekronung umgeben,
und mit eingelegter Arbeit verziert. Auch die I-Iolzvertafelung, sowie die Bänke und
Wandkastchen zeigen feinere Detaillirungen, wahrend die Holzdecke hier nur ganz beschei-
denen Schmuck aufweist. - Haben wir somit tretfliche Vorbilder für die Ausstattung
ländlicher Wohnräume vor uns, so bilden andererseits diese Aufnahmen ein nicht zu
unterschatzcndes kunsthistorisches Material und sind gleichzeitig vollgiltige Zeugen für
den Wohlstand und die Kunstliebe unserer Gebirgsbevolkerung in vergangenen Jahr-
hunderten. F-s.
e
A Book of Facsimiles of monumental Brasses on the Contineut of Europe.
By W. F. Creeny. Norwich, England, t884. gr. F01.
Es ist uns selten ein Buch in die Hand gekommen, von welchem sich mit gleichem
Rechte sagen ließe, dass es einem tiefgefühlten Bedürfnisse abhelfe, und welches seinen
Autor nach den verschiedensten Richtungen hin in so glänzender Weise einführte, wie
das vorliegende Werk. Mit einem Fleiße, der selbst in unserer emsigen Zeit kaum seines-
gleichen findet, und mit einer Gründlichkeit und Feinsinnigkeit, welche ähnlichen Werken
nicht immer zu Gute gekommen sind, liefert uns Creeny hier eine Sammlung zu
monumentalen Zwecken verwendeter gravirter Metallplatten, von deren Reichthum und
Mannigfaltigkeit man erst jetzt eine Vorstellung empfängt. Ohne zu ermüden, hat der
Verfasser, man kann wohl sagen, jede Minute freier Zeit, welche sein geistlicher Beruf
ihm ließ, zur Herbeischaßung von Zeichnungen, Copien und Abdrücken benutzt; er
hat Danemark, Schweden, Deutschland, Polen, die Schweiz, Holland, Belgien, Frank-
reich und Spanien bereist, keine Mühe und kein Opfer gescheut, um gewissenhaft und
vertrauenswürdig erscheinen und sein zu konnen. Auf diesem, zwar langsam, aber sicher
zum Ziele führenden Wege hat er denn auch einem Gegenstande zu seinem Rechte
verholfen, dessen sich die Kunstforschung bisher noch wenig angenommen hatte und
eine Arbeit zu Stande gebracht, welche für die Geschichte der mittelalterlichen Kunst
von der allergrößten Bedeutung ist. In So Tafeln, deren Vorlagen dem I3. bis X6.
Jahrhundert angehören, sehen wir die Entwicklung dieser Kunstgattung vor uns: von
den einfachen Platten, in denen nur eine liegende Figur in groben Umrissen einge-
graben ist, und den reicheren, überaus sorgsam ausgearbeiteten Doppelbildern in go-
thischer Umrahmung, welche im 14. Jahrhundert aufkamen, bis zu den kunstvollen
Renaissance-Grabplatten, deren technische Durchbildung zum Vollencletsten gerechnet