Deutschland auf der Wiener Weitausstellung 1873. 9
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Durch das Ausstellungsprogramm waren sämmtliche Ausstellungs
gegenstände in Gruppen und innerhalb dieser wieder in Unterabthei-
lungen geordnet. Für eine solche nothwendige Ordnung des gewal
tigen Stoffes, mit welchem eine internationale Ausstellung zu schaffen
hat, war bis dahin ein festes Princip noch nicht gefunden worden. Jede
der früheren Ausstellungen hatte sich hier in eigenen Versuchen be
wegt, schuf sich ein neues System und suchte theils durch zweckmäs-
sigere Verbindung'verwandter, theils durch schärfere Trennung ver
schiedenartiger Productionszweige einen Fortschritt zu erzielen — Ver
suche von zweifelhaftem Werthe, nur von dem einen sicheren Erfolge
begleitet, dass man zu einer immer mehr in das Einzelne gehenden,
alle Uebersicht erschwerenden Theilung des Stoffes gelangte, die für
die Schule vielleicht zu rechtfertigen, im Leben aber nirgends zu fin
den war. Die erste Londoner Ausstellung hatte sämmtliche Erzeug
nisse noch in 6 Gruppen und 30 Classen unterzubringen gewusst. Die
letzte Pariser Ausstellung umfasste schon 10 Gruppen und 95 Classen.
ln Wien gelangte man zu 26 Gruppen mit 174 Unterabtheilungen, von
den Nebenausstellungen noch abgesehen.
Die ersten fünfzehn Gruppen des Wiener Programms umfassten
theils grössere Productionsgebiete von eigenartigem Charakter: das
Berg- und Hüttenwesen, die Landwirthschaft, die chemische Industrie,
die Industrie der Nahrungsmittel, die Textilindustrie, die Metall- und
Holzindustrie, die Stein-, Thon- und Glasindustrie, das Maschinen
wesen, theils enger begrenzte Industrien: die Papierindustrie, die
Fabrikation wissenschaftlicher und diejenige musikalischer Instru
mente, die Lederindustrie, die Kurzwaarenindustrie, theils auch Er
zeugnisse und Arbeiten, die nur in ihrer weiteren Zweckbestimmung
verwandt waren: graphische Künste, gewerbliches Zeichnen, und
gaben den üblichen Inhalt der Industrie- und Landwirthschaftsausstel-
lungen wieder. Die Gruppen XVI. bis XXII. waren bestimmt, theils
gewisse nationale Verwaltungs- und Wirthschaftszweige: Heeres- und
Marinewesen, Bau- und Ingenieurwesen, theils gewisse Richtungen der
nationalen Arbeit, in welchen Charakter und Cultur der Völker vor
nehmlich sich spiegeln: das Bürgerhaus und Bauernhaus, die natio
nale Hausindustrie, zur Darstellung zu bringen. Die Gruppen XXII.
bis XXV. waren dem Kunstgewerbe und der Kunst gewidmet; im An
schluss an manche, schon auf der letzten Pariser Ausstellung zur An
wendung gekommenen Ideen boten sie durch die Beachtung der kunst
gewerblichen Bildungsmittel und der älteren, kunstgewerblichen und
künstlerischen Erzeugnisse neue und anziehende Gesichtspunkte dar.
Die Gruppe XXVI. zielte endlich auf eine möglichst umfassende Dar
stellung des Unterrichts- und Bildungswesens hin; war, was sie ver-