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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 3)

OUZ V 
In Rom lebte zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch Carlo Maratta, 
der nicht umsonst der letzte Römer der Palette genannt worden ist, der 
bereits ähnlich wie jener österreichische Meister mit klarem Bewusstsein 
die Nothwendigkeit vor sich sah, dem manieristischen XVesen seiner Zeit 
entgegenzutreten, dem auch dann die Aufgabe zu Theil wurde, die 
unvollendeten Arbeiten Rafael's zu vollenden und die beschädigten zu 
restauriren. Der Einfluss dieser seiner reinigenden Tendenz ist nun bei 
vielen Künstlern zu verspüren und bei keinem deutlicher als bei unserem 
Daniel Gran, der in Rom Gelegenheit hatte, eine Menge der bedeutendsten 
Arbeiten Maratta's zu studiren. Es gibt Bilder Gran's, welche auf merk- 
würdige Weise an Maratta'sche, aber selbst auch schon an RafaeYsche 
Motive erinnern. Wir müssen nur immer denken, in jener Umgestaltung, 
wie sie durch einen Künstler des 18. Jahrhunderts überhaupt möglich 
ist. Dass nun nicht nur wir heute Gran hochschätzen, dass nicht wir 
allein diejenigen sind, welche, vielleicht in Ueberschätzung, in ihm 
Bedeutendes linden, beweist der Umstand, dass einer der größten Kunst- 
kenner und einer der größten Autoren auf diesem Gebiete schon irn 
vorigen Jahrhunderte über Gran in ausgezeichnetster Weise geurtheilt 
hat. Es ist niemand Anderer als der berühmte Winckelmann, welcher 
über die Kuppeldecoration in der Hofbibliothek sich folgendermaßen aus- 
spricht: "Nach Rubens ist in neueren Zeiten nicht leicht ein erhabeneres 
Werk in dieser Art unternommen und ausgeführt worden, dergleichen 
die Cuppola der kaiserlichen Bibliothek in Wien ist - - es ist ein 
malerisches Heldengedicht, welches nicht von den Eiern der Leda anfängt, 
sondern, wie Homer vornehmlich nur den Zorn des Achilles besingt, so 
verewigt des Künstlers Pinsel nur allein des Kaisers Sorgfalt für die 
Wissenschaftenm Und von der Apotheose des Hercules in der Galerie 
zu Versailles von le Moine, nwomit Frankreich als mit der größten 
Composition in der Welt prangen: -- sagt derselbe - nsie ist gegen die 
gelehrte und sinnreiche Malerei des deutschen Künstlers eine sehr gemeine 
und kurzsichtige Allegoriem 
Gran's Einfluss hat leider nicht sehr nachgehalten, er hat wenig 
hervorragende Schüler hinterlassen, und die folgende Generation hat schon 
vergessen, was sein großer, gewaltiger Styl predigte. Er steht also ganz 
ähnlich wie Fischer von Erlach und wie Donner vereinsamt da ohne eine 
merkbare Nachwirkung, wie das ja eigentlich mit den meisten Künstlern 
der Barocke der Fall ist. Sie sind ein Geschlecht einsamer Titanen, aber 
es ist gut, zu ihnen emporzuschauen, zumal in Zeiten, wo die Kunst- 
production in unendlicher Vielfältigkeit eines kleinlichen und dabei uniform 
banalen Treibens wie ein Quecksilbertropfen zu zersplittern droht.
	        
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