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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 9)

Windungen, wie sie dem deutschen, noch gothisch emphndenden Ge- 
schmacke besser passten, fügsamer erwies und in Metall getrieben Dank 
seiner Breite für Glanz und Spiegelung besonders geeignet war. 
Die Behandlung des Blattwerkes ist in den Ornamentsticben, wie 
schon angedeutet, ein wesentliches Erkennungszeichen für die Ent- 
stehungszeit. Die breite Blattform wie bei Aldegrever kommt überhaupt 
nur in den Jahren von 1525 bis etwa 1550 vor, wobei allerdings zu 
bemerken ist, dass sich die übrigen Ornamentisten daneben mehr als der 
westphälische Meister an die von Zoan Andrea erlernte Decoration mit 
Akanthus und Grotesken hielten. Die Ornamente dieser Art sind reine 
Goldschmiedeornamente, in ihrer reichen Zahl, welche gewiss durch den 
Bedarf hervorgerufen wurde, zugleich ein erfreulicher Beweis für den 
Kunstsinn jener Tage. Sie waren ja in der That in Deutschland, wo man 
damals noch nicht große Säle, wie später in der Traußnitz und im Rath- 
hause zu Landshut oder wie im Schlosse Arnbras bei Innsbruck mit 
Grotesken zu zieren liebte, für andere Kunstzweige kaum verwendbar. 
Höchstens die Tischler und nur theilweise die Architekten und Bildhauer 
konnten die leichten Pilasterdecorationen für Füllungen an Möbeln oder 
Wandstreifen gebrauchen. Darum sehen wir an Möbeln und Bauten 
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch jene Mischung von 
gothischem Aufbau und renaissancemäßiger Decoration, welche oft unor- 
ganisch aneinander gefügt uns eigenartig, aber nicht unsympathisch, viel- 
rnehr höchst malerisch anmuthet, als Erzeugniss phantasievoller Schaffens- 
freudigkeit in künstlerischer Jugendzeit. 
Seit der Mitte des Jahrhunderts treten aber neuartige Elemente in 
der Verzierungskunst hervor und jene älteren fast ganz verdrängend, 
kommen sie immer mehr zur Herrschaft, dieselbe mit Modif-ication bis 
in's 18. Jahrhundert, zur Stillaune des Rococo, behauptend. Der neuen 
Motive sind vorwiegend vier: l. Das Rahmen- und Rollwerk; 2. das 
orientalische Flachornament; 3. Rückkehr zu Naturbildern, Jagd- und 
Thierstücken; 4. die gesteigerte Verwendung von allegorischen Gestalten. 
Die Hauptrolle während des ganzen angedeuteten Zeitraumes spielt 
das Rahrnen- und Rollwerk. Der Zierrahmen auf Titelblättern, Inschrift- 
tafeln und Füllungen ist ja überhaupt eines der wenigen ornamentalen 
Motive, welche die.neuere Kunst gegenüber der antiken und der orien- 
talischen als eine wehrhafte Bereicherung des ornamentalen Formen- 
schatzes selbständig erfunden hat. Die italienische Renaissance zeigt den 
Zierrahmen nur in bescheidenen Anfängen, und die volle Ausbildung 
erreicht derselbe erst in Deutschland und den Niederlanden. Es ist fast, 
als ob die Entwickelung des Rahmenwerkes diesseits der Alpen geogra- 
phisch besser begründet wäre und als ob gegenüber dem Reichthume 
des Südens an edlen Steinsorten sich in den nordischen Ländern mehr 
das Holz- und Eisenmaterial stil- und formbildend geltend gemacht hätte.
	        
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