Windungen, wie sie dem deutschen, noch gothisch emphndenden Ge-
schmacke besser passten, fügsamer erwies und in Metall getrieben Dank
seiner Breite für Glanz und Spiegelung besonders geeignet war.
Die Behandlung des Blattwerkes ist in den Ornamentsticben, wie
schon angedeutet, ein wesentliches Erkennungszeichen für die Ent-
stehungszeit. Die breite Blattform wie bei Aldegrever kommt überhaupt
nur in den Jahren von 1525 bis etwa 1550 vor, wobei allerdings zu
bemerken ist, dass sich die übrigen Ornamentisten daneben mehr als der
westphälische Meister an die von Zoan Andrea erlernte Decoration mit
Akanthus und Grotesken hielten. Die Ornamente dieser Art sind reine
Goldschmiedeornamente, in ihrer reichen Zahl, welche gewiss durch den
Bedarf hervorgerufen wurde, zugleich ein erfreulicher Beweis für den
Kunstsinn jener Tage. Sie waren ja in der That in Deutschland, wo man
damals noch nicht große Säle, wie später in der Traußnitz und im Rath-
hause zu Landshut oder wie im Schlosse Arnbras bei Innsbruck mit
Grotesken zu zieren liebte, für andere Kunstzweige kaum verwendbar.
Höchstens die Tischler und nur theilweise die Architekten und Bildhauer
konnten die leichten Pilasterdecorationen für Füllungen an Möbeln oder
Wandstreifen gebrauchen. Darum sehen wir an Möbeln und Bauten
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch jene Mischung von
gothischem Aufbau und renaissancemäßiger Decoration, welche oft unor-
ganisch aneinander gefügt uns eigenartig, aber nicht unsympathisch, viel-
rnehr höchst malerisch anmuthet, als Erzeugniss phantasievoller Schaffens-
freudigkeit in künstlerischer Jugendzeit.
Seit der Mitte des Jahrhunderts treten aber neuartige Elemente in
der Verzierungskunst hervor und jene älteren fast ganz verdrängend,
kommen sie immer mehr zur Herrschaft, dieselbe mit Modif-ication bis
in's 18. Jahrhundert, zur Stillaune des Rococo, behauptend. Der neuen
Motive sind vorwiegend vier: l. Das Rahmen- und Rollwerk; 2. das
orientalische Flachornament; 3. Rückkehr zu Naturbildern, Jagd- und
Thierstücken; 4. die gesteigerte Verwendung von allegorischen Gestalten.
Die Hauptrolle während des ganzen angedeuteten Zeitraumes spielt
das Rahrnen- und Rollwerk. Der Zierrahmen auf Titelblättern, Inschrift-
tafeln und Füllungen ist ja überhaupt eines der wenigen ornamentalen
Motive, welche die.neuere Kunst gegenüber der antiken und der orien-
talischen als eine wehrhafte Bereicherung des ornamentalen Formen-
schatzes selbständig erfunden hat. Die italienische Renaissance zeigt den
Zierrahmen nur in bescheidenen Anfängen, und die volle Ausbildung
erreicht derselbe erst in Deutschland und den Niederlanden. Es ist fast,
als ob die Entwickelung des Rahmenwerkes diesseits der Alpen geogra-
phisch besser begründet wäre und als ob gegenüber dem Reichthume
des Südens an edlen Steinsorten sich in den nordischen Ländern mehr
das Holz- und Eisenmaterial stil- und formbildend geltend gemacht hätte.