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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 178)

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nördlichen Deutschland, gibt es noch heute eine Reminiscenz jenes älte- 
sten Bucheinbandes. ln meiner Jugendzeit wenigstens wurden noch alle 
Katechismen für die Volksschulen und so auch wohl die Volkskalender 
in Decken von Buchenholz eingebunden, was bei irgend anderen Büchern 
durchaus nicht mehr der Brauch war. Elfenbein war schon ein kostbares 
Material, aber es wurde dennoch wie in Rom so auch in den Kloster- 
buchbindereien verwendet und ebenso Metall, edles wie unedles. 
An jede Art des Materiales verwendeten die Klosterkünstler, wenn 
die Aufgabe danach gestellt war, ihre höchste Kunst. Nach dem Beispiele 
der alten Diptychen wurden Holz und Elfenbein über die ganze Fläche 
in Relief geschnitzt, das Metall gravirt, getrieben, emaillirt, das Silber 
vergoldet. Von all diesem gibt unsere Ausstellung Beispiele, wenn auch 
nicht sämmtlich in Originalen, doch in galvanoplastischen Copien, Photo- 
graphien oder Zeichnungen. Das älteste Beispiel vielleicht sind zwei ver- 
goldete Kupfertafeln aus dem io. Jahrhundert mit den eingravirten Figuren 
der Könige des karolingischen Hauses, gegenwärtig der Bibliothek in Trier 
gehörig, aber aus dem karolingischen Kloster Prüm stammend. Das Österr. 
Museum hat sie galvanoplastisch nachbilden lassen. Sie sind nicht bloß 
aus dem Gesichtspunkte unserer Ausstellung, sondern auch weil sie die 
Reihe der Karolinger in treuen Abbildungen darstellen, für die Costüm- 
geschichte von großem lnteresse. Dann folgt die ganze Serie der berühm- 
ten byzantinischen Buchdeckel aus der Marcuskirche in Venedig, die 
ebenfalls durch das Österr. Museum nachgebildet wurden, zum Theile 
galvanoplastisch, mit möglichster Facsimilirung des Emails, zum Theile 
in colorirten Photographien. Für die Buchbinderei haben sie ein beson- 
deres lnteresse, weil auch die sonst fehlenden Rücken von Metall sind, 
im Uebrigen aber sind sie mit ihrer getriebenen Silberarbeit, ihren Ein- 
sätzen von Email cloisonne auf Gold wichtiger noch für die Goldschmiede- 
kunst und mit ihren Darstellungen für die kirchliche Archäologie. Wäh- 
rend die Byzantiner die Bücher mit Silber, Gold und Email deckten, ge- 
schah es in den rheinischen Kunststätten zu Köln und Trier und dann 
in Limoges mit vergoldetem Kupfer und Email champleve (Grubenschmelz). 
Von dieser Art enthält die Ausstellung ein sehr schönes Beispiel in einem 
Manuscripte der Liechtensteidschen Bibliothek aus dem 12. Jahrhundert, 
welches bis vor Kurzem der Sammlung Firmin Didot angehörte. Auch 
die Art der geschnitzten Holztafeln ist an einem Manuscripte der Am- 
braser Sammlung vertreten, einem Chormissale des Abtes Berthold von 
Weingarten vom Jahre 1227. Die Decke ist ein feingeschnitztes durch- 
brocbenes Relief von romanischer Laubwindung mit Heiligenfiguren. 
Nach dieser Zeit, d. h. mit dem Ausgange des romanischen und dem 
Beginne des gothischen Styles, kam man, so scheint es, mehr und mehr 
davon ab, die ganzen Holztafeln der Manuscripte mit Metallplatten zu be- 
legen. Die Bücher mehrten sich, wurden häufiger in die Hände genom- 
men und man fühlte schon das Bedürfniss, sie leichter zu machen, ohne
	        
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