Engel, den Leichnam Christi stützend und mit urisäglichem Leid in
Antlitz und Haltung zum Himmel aufblickend. Schwer ruhen die edlen,
im Tod gelösten Glieder des Heilands auf den Armen der schlanken
Gestalt, die hilfesuchend und wie mit schmerzlicher Frage sich aufwärts
wendet, eine rührende Klage in jeder Geberde. Dieses Relief gehört zu
den besten und eindruckvollsten Theilen des Ganzen. Noch sei hervor-
gehoben, dass das Tabernakel durchgängig bemalt ist, vorherrschend in
Blau und Gold").
Wesentlich im schönsten Einklange mit dem Tabernakel steht der
dazu gehörige Altar, der, wie oben erwähnt, derselben Hand entstammt.
Er ist gleichfalls ganz aus Holz geschnitzt, von reicher, architektonischer
Gliederung, mit großer Nische, doppelter Säulenordnung, Composita-
Capitälen, barocken Bogensegmenten und hat ohne Staffel, die Mensa
eingerechnet, eine Höhe von 7'4 Meter und eine Breite von 4'6 Meter.
Die Nische ist in ihrer jetzigen Gestalt die unverständige Arbeit späterer
Erneuerungssucht, welche ihr im Widerspruche mit dem Stile des ganzen
Werkes eine Umrahmung im Charakter der italienischen Renaissance
gegeben hat. Sie enthält jetzt eine bekleidete Muttergottes, von zweifel-
haftem Kunstwerth, welche bei Gelegenheit der Umänderung der Nische
aus der Rumpelkammer der Pfarrkirche hervorgesucht und an diese Stelle
gesetzt wurde. Ursprünglich soll die Nische gleichfalls mit Putten be-
völkert gewesen sein, glaubhafter ist es jedoch (und es wäre auch wirk-
samer gewesen), dass sich ein Altarblatt darin befunden hat. Ich halte
es nicht für unmöglich, dass das an dem gegenwärtigen Hochaltar ange-
brachte Gemälde a) ehedem an jener Stelle war; es dürfte von Giuseppe
Zanchi, dem Sohne des Antonio Zanchi von Este, herrühren, der in
der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Venedig thätig war, für
S. Paolo eine Scene aus dem Leben des heiligen Paulus malte und 1750
starb. Betrachten wir den Altar näher, so finden wir uns trotz seiner
fast überreichen Ornamentik freudig überrascht von einem frischen, flotten
Zuge, der das ganze Kunstwerk beherrscht; hier waltet nicht jener Geist,
der durch Mannigfaltigkeit Tiefe, durch Wunderlichkeit das Wunderbare,
durch Ueberladung echten, inneren Reichthum, durch Künstelei wahres
Können zu ersetzen, zu überbieten trachtet. Hier lernen wir einen
Meister kennen, der die lebhafteste Phantasie, offenkundiges Streben nach
augenblendender Gestaltenfülle und ein Fortissimo decorativer Sprache
mit süßem Wohllaut, Innigkeit und ernstem Studium der Natur zu ver-
binden weiß. Die beiden inneren, die neugestaltete Nische Hankirenden
g) Anlässlich der Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände im Oesterr. Museum
wurde das Tabernakel in den vBlattern für Kunstgewerbel (XVI, 8) abgebildet; eine
andere Abbildung ist meinem Berichte (Aber die Ausstellung in A. Psbsfs wKunstgewerbe-
blattu (lll, n) beigegeben.
5) Eine Darstellung der Mutter Anna mit dem Marienkinde und den Aposteln,
zugleich Kirchenpatronen, Philipp und Jacobus. '