Vorher aber, bevor ich den Lauf der Geschichte beginne, sehe ich
mich genöthigt, eine Frage aufzuwerfen und zu beantworten, welche
auch bereits die Geschichte zu wiederholten Malen aufgeworfen hat, die
Frage: soll denn überhaupt die Kirche geschmückt werden? Bei der
reinen Innerlichkeit des religiösen Lebens, bei der Einfachheit und Gei-
stigkeit des Christenthums, bei dem Umstande, dass doch der Glaube
mit dem von Menschenhand geschaffenen Bilde nichts zu thun hat, ist
es da angemessen, ist es da recht, dass das Gebäude der Kirche einen
Schmuck erhalte, dessen sie doch zur Erfüllung ihrer religiösen Ziele
und Aufgaben in keiner Weise bedarf?
Diese Frage, wie gesagt, ist schon öfter aufgeworfen worden und
hat Stürme und Schreckenszeiten in der Geschichte der christlichen
Kirche hervorgerufen. Man hat geglaubt und gesagt, dass das Christen-
thum in seiner frühesten Zeit aller Kunst abhold gewesen sei, und hat
daraus einen Grund gegen den Bilderschmuck hergeleitet. Wenn das nun
auch nicht der Fall war, so haben doch bereits mehrere der Kirchenväter
sich gegen die Bilder ausgesprochen, weniger aber aus Feindschaft gegen
die Kunst, als um der Verehrung willen, welche ihnen wohl nach heid-
nischer Art zu Theil geworden. Wenige Jahrhunderte später, im Anfange
des achten Jahrhunderts, als die Kirchen aller Orten mit Malereien aus-
geschmückt waren, da entstand in der That eine Feindschaft gegen den
Kirchenschrnuck, gegen alle bildlichen religiösen Darstellungen, welche
im byzantinischen Reiche zu dem langen, mit aller Wuth und Grausam-
keit geführten Bürgerkriege der Ikonoklasten, der Bilderstürmer, führte,
ein Krieg, der Märtyrer und Legenden erzeugte. Malern z. B., welche
die heilige Jungfrau gemalt hatten, wurden von den Gegnern die Hände
abgehauen, und die heilige Jungfrau ließ sie ihnen wieder wachsen.
Auch das Mittelalter hatte seine Bilderfeinde. Der heilige Bernhard
erklärte sich in heftigster Weise gegen allen kirchlichen Schmuck, wäh-
rend Andere wie der heilige Franz von Assisi den tiefsten Einfluss auf
die Fortentwickelung der kirchlichen Kunst ausübten. Nun kam die Re-
formation gleichzeitig der höchsten Entfaltung der modernen Kunst.
Luther selber war kein Gegner der Kunst in der Kirche. Er sei nicht
der Meinung, sagt er, dass das Evangelium die Künste vernichten müsse;
er wünsche im Gegentheil alle Künste, und insbesondere die Musik, im
Dienste desjenigen zu sehen, der sie erschaffen und uns gegeben habe.
Nicht aber dachten so die Anhänger Calvins Die Reformirten stellten
sich alleru Schmuck, aller Kunst in der Kirche feindselig gegenüber;
kein Schmuck des Altars, kein Bild an den Wänden solle die Herzen
der Gläubigen ablenken; weiße Wände, grau angestrichenes Gestühl,
ein schwarz behangener Tisch als Altar war das, was sie für ihre Kirche
verlangten. Und wie einst in Byzanz, so führte diese Anschauung der
Reformirten zu einer erneuerten Bilderstürmerei, welche ja in den Nieder-
landen die Vernichtung einer Unzahl der schönsten Kunstwerke ver-