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charakteristischen Putten und jugendlichen Gestalten von Engeln und Ka-
ryatiden, von denen wir oben sprachen; auf sie wird die größte Kunst
verwendet, und das Streben des Meisters geht offenbar dahin, der in der
Kinderwelt am reinsten zum Ausdruck gelangenden menschlichen Natur
immer neue, überraschende Züge abzulauschen und sie klar und ver-
ständlich vorzutragen. Hieher gehören die beiden fackeltragenden Engeln
und die großen Candelaber in S. Stefano, der Schmuck des Altars in
der Kirche della Salute, der mit einer Fülle von Cherubim gezierte
Tabernakel in S. Maria di Loretto, die beiden, den Künstler auf der
Höhe seiner Entwickelung zeigenden Tafeln in der Jesuitenkirche und
in S. Pictro, von welchen die erstere (bezeichnet mit dem Namen des
Meisters und der Jahreszahl 1727) den Tod des Franz Xaver, die andere
(ebenfalls mit dem Namen Brustolonfs und der Jahreszahl 1729 be-
zeichnet) den Kreuztod darstellt; beide sind von einer Fülle reizender
Engel und Cherubirn belebt. Ihnen schließen sich mehrere Arbeiten,
meist Spiegel- und Bilderrahmen an, deren breites Schnitzwerk zum
Tummelplatz für zahlreiche Putten dient; so zeigt ein solcher Rahmen
nicht weniger denn zi Figuren in ganzer Gestalt.
Aber nicht nur in Belluno, sondern auch in vielen anderen größeren
und kleineren Orten des Landes bis hinauf nach Forno di Zoldo finden
wir Arbeiten des Meisters, welcher bis zum Ende seines mehr als 7ojäh-
rigen Lebens unermüdlich thätig blieb. Die Nähe Belluno's von Cortina
würde nicht entscheidend sein für die Zuweisung jenes Altares an Bru-
stoloni. Aber es sprechen innere Gründe dafür, der Stil, die technische
Behandlung, und die Wiederkehr der nachgewiesenen Lieblingsmotive.
Im Lichte dieser Thatsachen werden die jetzt leider nur mehr mündlich
vorhandenen Ueberlieferungen, welche sich in Cortina in Betreff der
Herkunft des Werkes erhalten haben, an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Der hochwürdige Pfarrdecan von Cortina, Herr Josef Pitscheider, der
seit Jahren an diesem Orte lebt, hatte die Güte mir mitzutheilen, dass
sich im Pfarrarchive ausführliche Urkunden über den Altar befunden
haben, die jedoch zur Zeit Napoleon's abhanden gekommen sind. Der
Vorgänger des jetzigen Decans und die älteren Mitglieder der Familie
Ghedina wussten sich ganz bestimmt zu erinnern, dass Briefe von Bru-
stoloni und ein von ihm unterfertigter Arbeitsvertrag vorhanden waren.
S0 sei der Kaufpreis mit 4000 Lire venete bestimmt und außerdem ver-
einbart gewesen, dass Brustoloni noch einen zweiten Seitenaltar zu dem-
selben Preise liefere. Das letztere Uebereinkommen habe sich jedoch
zerschlagen wegen der Lieferung von 20-30 Stück Musel, d. i. Säg-
stücken von Zirbelholz. Die Gemeinde scheint zur Beistellung des
Holzes verpflichtet gewesen zu sein und der Künstler jenen Preis nur
für die Arbeitlgefordert und erhalten zu haben. Noch bemerke ich, dass
Ronzon in seinem almanaco cadorino dell' anno i876 unserenAltar,
dessen er als eines Werkes Brustol0ni's Erwähnung thut, in das Jahr