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auch in der Kunst, zunächst in der Baukunst zu thun. Das gelehrte lnteresse nicht allein
an den Literaturwerken, auch an den Baudenkmalern des alten Rom war lange bereits
rege geworden (man denke z. B. an Poggids nRuinarum Romae descriptioß, an nRoma
instauratan von Blondus von Forli etc.); aber in jene antiquarischen Tendenzen, welche
zunächst von der Literatur ausgingen, kam mit einmal ein zündender Lebensfunke, als
nicht mehr blos Philologen und Humanisten, sondern ausübende Künstler die römischen
Ruinen durchforschten. Dies ist die Geburtsstunde der Renaissance in der Baukunst. Der
archäologische Trieb, der bis dahin theorotisch, doctrinar, literarisch war, er wurde
praktisch und productiv, indem er die hervorbringenden Kratte der Kunst durchdrang
und beseelte. Bei einer geringeren Eigenlebendigkeit des Kunstvermögens hatte das
Bündniss der Alterthumsforschung mit der Architektur für die letztere verhangnissvoll
werden und zu einer kalten, gelehrten, antiquarisch nachahmenden Baurichtung, einem
Seitenstücke der humanistischen Latinitat in der Kunst, führen können. Davor bewahrte
aber die Renaissancekunst ihr reicher Genius. Sie brachte bei allem Anschlusse an die
antiken Formen etwas Neues, echt Eigenthümliches hervor, die reife Frucht italienischen
Kunstgeistes.
Dabei ist es auffallend genug, dass gerade in Florenz, der Wiege der rinascita,
der gothische Stil erst kurz vorher einen echt italienischen Assimilirungsprocess durch-
gemacht hatte, und hier, wie nirgends sonst im Süden, in einen vollig cunsequenten
Ortsstil umgebildet worden war. Die toskanische Gothik, noch keineswegs zu einem
welken Spatstil gealtert, wurde gleichsam bei ganz gesundem Leibe und kräftigen Gliedern
abgedankt und außer Wirksamkeit gesetzt, um der jungen aufstrebenden Renaissance
Platz zu machen. Zwischen dem Ausbau des Meisierwerkes der ßorentinischen Rundbogen-
gothik, der Loggia de' Lanzi (nach 1380) und der Capella Pazzi von Brunellesco, dieser
architektonischen Erstgeburt der Renaissance. dem Probebau und Modell des neuen
Stils (um 1410) liegt eine gar kurze Spanne Zeit. Mit dem außerordentlichen constructiven
Können eines Benci di Clone und Simone di Francesco Talenti, wie es sich an den
Pfeilern und Wölbungen jener kühnen Halle kundgibt, haue man noch gut über ein
Jahrhundert hinaus fortbauen können. Aber die Renaissance hatte Eile; Brunellesco,
Donatello, Leon Battista Alberti konnten es kaum erwarten, ihre Studienergebnisse in
ihrer Horentinischen Heimat zu verwerthen, und Michelozzi, Benedetto da Majann,
Cronaca folgten ihnen sofort nach.
Brunellesco ist der eigentliche Flügelmann und Stilbegrunder der neuen Epoche.
Er war 26 bis 2.8 Jahre alt, als er mit Donatello seine erste Studienreise nach Rom
antrat; als frühester RenaissancerArchitekt, mit den deutlich vorgezeichneten Grundzügen
des neuen Stils in Kopf und Hand, trat er nicht eher als circa 141.0, also in seinem
43. Lebensjahre hervor. Von da ab bis zu seinem Todesjahre (1446) war es ihm noch
durch 16 Jahre vergönnt, als Architekt zu schaffen und von einem Bau zum anderen die
junge Renaissance, die zunachst seinen ganz persönlichen Stempel trug, weiter auszubilden.
Die Aufgabe stellte sich hiebei für ihn und seine nachsten Genossen und Nach-
folger ganz eigenartig. Er und die Seinen standen doch inmitten einer historisch, ja
local bedingten Existenz; die vorhandenen Baurypen mussten in ihrem wesentlichen
Charakter beibehalten werden, nur sollte dieser Charakter einen anderen und neuen
formalen Ausdruck erhalten. Jene Bautypen waren die Kirche mit der Sacristei; der
Chiostro oder klösterliche Kreuzgang; der Palast mit seinem Hofe. Für jede der ge-
nannten Baugattungen stellte sich das Problem anders bezüglich der Anwendung der
antiken Formen und der Abrechnung mit dem geschichtlich vorgezeichneten Typus. Wie
Brunellesco und seine Fach- und Gesinnungsgenossen das Thema von einem Exempel
zum andern auffassten und lösten und die gegebenen Bautypen im Renaissancegeiste
reformirten, ohne noch ihre innere Wesenheit anzutasten, suchte der Vortrag im Ein-
zelnen nachzuweisen; die naheren Ausführungen entziehen sich der Wiedergabe in einem
allgemeinen Auszuge. iZwei große Dingen, sagt Vasari, iiti-ug Filippo Brunellesco von
Anbeginn in sich: Die Wiedererweckung der guten Baukunst und die Ausführung des
Kuppelbaues des Domes von St. Mafia del GOTBJ Es lag selbstverständlich auch im
Rahmen des Vortrages, zu erörtern, in wie weit diese beiden Intentionen innerlich
zusammenhängen. Die weitere Darlegung gelangte zu detn Ergebnisse, dass die Dom-
kuppel von Florenz mehr zum Beschlusse der Gothik als zum Beginne der Renaissance
gehöre. Brunellesco führte die kühnste und genialste gothische Kuppel aus, deren Ermög-
lichung aber weit über das überlieferte Constructionsvermogen der Gothik hinausreichte.
Die junge Renaissance vollführte da ihr struetives Meisterstück an einer noch wesentlich
gothischen Aufgabe.