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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 90)

Leistungen, welche, wie überhaupt unsere Frauenarbeiten, beweisen, dass 
auf diesem Felde noch viel einzuholen ist. 
Dach finden sich recht gute Stickereien und l-läkcleien vor, nebst- 
dem auch Korbflechtereien, Laubsägearbeiten, mit Farbe angelegte Zeich- 
nungen für eingelegte Holzarbeiten und eine Christusligur, überraschend 
gut mit dem Taschenmesser aus Holz geschnitzt. Auch diese kleine Aus- 
stellung dient dazu, die Wahrnehmung, dass in Steiermark für den Auf- 
schwung der Kunstindustrie ein empfänglicher Boden vorliege, neuerdings 
zu bestärken. A. J lg. 
Vorleaaaua lm Museum. 
I-Ierr Dr. M. Thausinglas am 2.8. November und am 5. December X871 Iüber die 
deutsche Kunstreform des I6. Jahrhunderts-i. 
Der Vortragende hatte es sich nicht zur Aufgabe gemacht, in dem kurzen Zeit- 
raume von zwei Stunden eine Schilderung des überreichen Schauspieles zu geben, das 
wir gemeiniglich mit dem Namen wdeutsche Renaissanceß zu bezeichnen pflegen. Er wollte 
nicht eine Geschichte jener gewaltigen Stylwandlung entwerfen, welche die deutsche Kunst 
des Mittelalters zur Natur und' zur Antike hinleitete und ihr so den modernen Charakter 
aufgepragt hat. Es galt vielmehr eine Erklärung jenes Processes aus tieferen historischen 
Ursachen, aus den allgemeinen Culturverhaltnissen des deutschen Volkes. In der Neuheit 
dieser Aufgabe liegt auch deren Schwierigkeit; denn mit der blassen Aufsuchung und 
Beschreibung der neu erhaltenen Denkmäler hat unsere junge Kunstwissenschaft immer 
erst nur den leichteren Theil ihrer Aufgabe erfüllt. Ist aber schon darin unsere heutige 
Erkenntniss deutscher Kunst noch Stückwerk, um wie viel mehr noch in Allem, was dar- 
über hinausliegt. In dem Masse jedoch, als sich die historische Wissenschaft von der ein- 
seitigen Kunstgeschichte der Volksgeschichte zuwendet, nahert sie sich auch den geheimen 
Quellen der Kunstübung, die jederzeit der ureigene, unverfälschte Ausdruck einer Volks- 
seele ist. Und hierin liegt zugleich die hohe Bedeutung der Kunstgeschichte für die Zu- 
kunh, wie auch ihr praktischer Werth für die Gegenwart. 
In diesem Sinne und an der Hand historischer Thatsachen versucht Thausing 
nachzuweisen, dass die deutsche Srylreform des 16. Jahrhunderts eine unbedingte Forde- 
rung des neuen Zeitgeistes war; dass sich ihre Ergebnisse ungestraft so wenig ignoriren 
lassen, als wir etwa auf die Errungenschaften der Neuzeit in Wissenschaft und Staat, ja 
auch im täglichen Leben und in reiner Bequemlichkeit verzichten wollen. Dass diese Ein- 
sicht noch keineswegs durchgedrungen ist," zeigen unsere wiederholten Rückfälle in die 
Gothik, deren wahren historischen Charakter der Vortragende eingehend beleuchtet; zeigt 
auch unsere bisherige Geringschätzung und allgemeine Unkenntniss der deutschen Renais- 
sancekunst. Angesichts dieser Ungerechtigkeit gegen die Anfange unserer modernen Kunst 
ist es ein Glück, dass sich die Wissenschaft endlich der bisher so arg vernachlässigten 
Stylepoche annimmt. Mit warmen Worten betont Thau sing hier das Verdienst, das sich 
Lübke durch seine eben im Erscheinen begriifene -Geschichte der deutschen Renaissance- 
erworben habe; seine Vortrage wollen gewissermassen als eine Einleitung, eine Vorbe- 
reitung zum Studium dieses Buches gelten. 
Dabei behält der Vortragende allerdings stets auch einen praktischen Nebenzweck 
im Auge - den nämlich, aus seinen Betrachtungen einigen Nutzen für das Geschmacks- 
urtheil der Gegenwart resultiren zu lassen. Er will klar machen, dass die Bekehrung 
Deutschlands zur Renaissance nicht blos eine geschichtliche Nothwendigkeit war, dass 
die inneren Beweggründe, welche den Volksgeist zur allgemeinen Kunstreform drängten, 
die Einkehr in die Natur, die Umkehr zur Antike , dass diese Motive auch heute noch 
lebenskräftig weiter wirken; dass wir im Grossen und Ganzen noch immer in der Cultur- 
periode stehen, die im 15. und 16. Jahrhundert ihren Anfang genommen hat; dass Alles, 
was ihren treibenden Ideen widerstand oder heute noch widersteht, unwiederbringlich ver- 
loren ist. 
Dabei spielt der Nationalcharakter eine wichtige, entscheidende Rolle, sobald er 
einmal zur Geltung gelangt ist. Die bunte Mannigfaltigkeit, mit welcher der mbderne Styl 
sogleich in Deutschland auftritt, kennzeichnet die bereits stark entwickelte Individualität 
der Persönlichkeit. Während der Italiener mit einer An unwillkürlicher Divination dem 
Zuge der Zeit folgt, während der Franzose dem Unerhonen, dem AulTallenden gern aus 
dem Wege geht, Sucht der deutsche mit Vorliebe die Ausnahme von der Regel, er spe-
	        
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