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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Nr. 12/13 
bezeichnen und dadurch ihre natürliche Unmittelbar 
keit andeuten, oder als »intuitiv«, wenn wir an das 
hinter der Wahl stehende Seelenbedürfnis denken), 
ist also urphänomenal, unabhängig im innersten 
Grunde von Bildungsgrad und Milieu des Sammlers, 
und es lassen sich daher die nicht seltenen Fälle er 
klären, wo sogenannte Halbgebildete oder gar Un 
gebildete im Sinne des Sprachgebrauches als ganz 
hervorragend sicher greifende Sammler oder Händler 
sich uns vorstellen. Dies gilt auch ganz besonders 
für eine große Anzahl provinzialer Heimatsammler, 
die ja sowieso die deutlichen Repräsentanten des na 
türlichen Verhältnisses zwischen Volk und Kunst 
sind, das durch keinerlei andere Werbung ersetzt 
werden kann. Das Volk mit den meisten Heimat 
sammlern wird daher auch immer das Volk mit dem 
innigsten Verhältnis zu seiner Kunst sein. 
Solche sammlerische Sinnenfähigkeit ist der be 
ste, unbeeinflußteste Experte und die aus den Sinnen 
gewonnene Ueberzeugung die klarste Expertise. Die 
wissenschaftliche Expertise kann daneben keinen an 
deren Sinn haben, als auf Grund wissenschaftlicher 
Erfahrung und wissensgeistiger Schulung in Worte zu 
kleiden, was die Sinne erfühlten, aus dem Magazin 
des Wissens heraus diese Erfühlung zu belegen, ma 
terialmäßig zu beweisen zu versuchen, mit Zahlen 
und Namen zu verdeutlichen. Den Beweis schließ 
lich aus dem Vergleichsmaterial herzuleiten und aus 
Wissen und Vergleich heraus allgemein Verständli 
ches und Nachprüfbares in Worte zu setzen. 
Darum ist es zum Beispiel nicht möglich, wie 
man vorschlug, die Expertise wieder durch die »Ga 
rantie« der gewissenhaften Händlerüberzeugung zu 
ersetzen, weil solcher Ueberzeugungsmeinung die dis 
kutierbare Formulierung und der nachprüfbare histo 
rische Beweis fehlt, es ist aber ebenso sicher, daß 
eine solche Ueberzeugungsmeinung, hinter die sich 
ein fähiger Händler mit seiner ganzen Autorität und 
seinem ganzen Ruf stellt, einem Sammlerkunden ge 
nügt, der aus seiner sammlerischen Sinnenfähigkeit 
heraus einer Formulierung in Worten nicht bedarf, 
weil seine geschulten Sinne den Beweis ihm ohne 
Worte (oder eventuell entgegen dem Expertisenwort 
laut) liefern. 
Es ist aber bezeichnend — um aus dieser aktu 
ellen Abschweifung wieder auf das Thema überzu 
leiten — daß die Expertise der zur Diskussion ste 
henden heutigen Form in einer Zeit auf trat, die am 
Ausgange des Bürgertums alter Art lag und am Be 
ginne einer Epoche der ratio und des Intellektua 
lismus. 
Ratio und Intellektualismus sind ausgesprochene 
Diskorrektoren des Instinkts und der Intuition, wel 
che beide bisher die sammlerische Wahl, die samm 
lerische Kenntnisnahme vom Kunstgegenstande lei 
teten, Sie sind, in der Ueberwertung auf tretend, wie 
heute, Verfälscher und Unterdrücker des Seelenver 
langens und des sinnhaftigen Urteils, sie greifen an 
die Urphänomenalität des Sammlermenschen und 
sind mit die allerinnerste Ursache der gegenwärtigen 
Sammlerkrise und der Sammlerunfähigkeit ihnen er 
gebener Menschen. 
Ratio und Intellektualismus sind aber zugleich, 
wenn auch heute in der Kulturwende noch in unhar 
monischem und daher zerspaltenden Verhältnis zu 
Instinkt und Intuition stehend, doch schon erkenn 
bare Faktoren eines neuen und zukünftigen Samm- 
lertums. 
Die Technik des Sammelns ist also in erster 
Linie eine Technik der Sinnesanwendung; in zweiter 
Linie eine solche der Materialkenntnis. Auch das 
Material bei seiner durch alle Zeiten gleichbleibenden 
Grundart wird mit den Sinnen wahrgenommen und 
wenn das allgemeine »Gefühl« für den seelischen 
und künstlerischen Befriedigungswert des Wahl 
stückes urphänomenal entsteht, so trifft dies für die 
Materialkenntnis nur zum Teil zu, zum größeren 
Teil nimmt dies aber wissenschaftliche Methoden zu 
Hilfe. (Röntgenologie, Makro- und Mikrophotogra 
phie, chemische Analysen etc.) Der Sammler kennt 
schon seit Jahrhunderten auch solche, hauptsächlich 
einfache chemische Untersuchungsmethoden, die er 
(nach der seelischen und künstlerischen Wertigkeits 
prüfung) an der Echtheit vornimmt (z. B. Säureprü 
fungen an Metallen, Patinaprüfungen etc.). Hier fügt 
sich in gewisser Hinsicht auch die kunstwissenschaft 
liche Untersuchung ein als eine ebenfalls analyti 
sche, und zwar vornehmlich historisch vergleichende 
und einordnende Tätigkeit. 
Die bisher genannten Ausführungen betreffen 
die sammlerische Wahltechnik. Diese Gegenstands 
wahl ist die entscheidende Tätigkeit des Sammlers. 
Aus ihrer Glückhaftigkeit heraus bildet sich das Ge 
sicht der Sammlung Zug um Zug. Wenn wir aber 
schon oben bemerkten, daß die Sammlung das »Ge 
sicht« der Sammlerseele ist, so ist auch einzusehen, 
daß eine sammeltechnische Anweisung, wie eine 
schöne Sammlung zusammenzubringen sei, nicht ge 
geben werden kann. Erstens weil die »Schönheit« 
der Sammlung (sie hat wenig mit deren Kostbarkeit 
gemein) das Abbild der »schönen« Seele des Samm 
lermenschen ist, und jede Menschen- und Sammler 
seele von der anderen verschieden ist mit anderen 
Sehnsüchten und anderen Wünschen. Jeder Sammler 
muß sich daher seine eigene engere »Technik« 
suchen. « 
Als rein sammlertechnische Fragen blieben bis 
her noch unerörtert die: 
Wie und wo finde ich glückhaft mein Sammler 
gut? und 
Wie verwahre ich mein Sammlergut? 
Wir können auch diese beiden Fragen nur so 
beantworten: Der echte Sammler »findet« sein Gut 
instinktiv, er wittert es, vermöge seiner sinnlichen 
Eigenschaften und verwahrt es intuitiv, d. h. er bringt 
es in seinen Räumen unter, wie es seiner Zusammen 
stellung nach seinem seelischen Bedürfnis Zug um 
Zug am geeignetsten liegt. So wie ein Spiegel das 
Ebenmaß der Züge wiedergibt, in ihrem Nebeneinan 
der und Ineinander, so spiegelt auch die gut aufge 
stellte Sammlung das seelische Bild des Sammlers 
in seinen Zügen wider, der Sammlerraum bringt sein 
Individuelles, Einmaliges, Höchstpersönliches zum 
Ausdruck. Dadurch unterscheidet sich die Privat 
sammlung des Sammlers von der öffentlichen des 
Museums ihrer Aufstellung nach und darum ist die 
originale Aufstellung des Sammlers mit ein Wesent 
liches bei der Privatsammlung, macht recht eigent 
lich das »Gesicht« der Sammlung mit aus. Eine auf 
gelöste Sammlung zerfällt in einzelne »Kunstwerke«, 
in ein Pluralisches, kommt an den Handel als »Ware«, 
so wie eine zerfallene Seele sich spaltet in Bewußt- 
seinszustände, in pluralische Bewußtseinssituationen, 
Technisch ist allerdings im besten Sinne jene 
Tätigkeit des Privatsammlers zu verstehen, die der 
Verbesserung, Verklarung und Erhaltung seiner Sam 
melgegenstände dient, Also seine rekonstruktive,
	        
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