MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 97)

4-51 
also den Universitäten, Kunstakademien und polytechnischen Instituten vorbe- 
halten. Wie sie auf diesen verschiedenen Anstalten vorgetragen werden soll, 
wird kaum besonderer Erörterungen bedürfen. Der Mangel an zureichenden 
Lehrkräften steht schon allen abstracteu Anforderungen entgegen. Die Indivi- 
dualität eines anregenden Lehrers wird sich den Wirkungskreis und Erfolg ver- 
schaffen, und das Bedürfniss der Wissenschaft selbst wird die Stiftung einer 
Professur der Kunstgeschichte möglichst bald auf allen Hochschulen zur Noth- 
wendigkeit machen. Je mehr die Geschichte Culturgeschichte wird, desto mehr 
wird sie einsehen, dass die Kunstgeschichte das Herz dieser Disciplin ist. Aber 
neben dieser, -wenn ich so sagen darf, specifisch akademischen Aufgabe wird 
der Docent jene allgemeine pädagogische Richtung nicht aus dem Auge ver- 
lieren. Den Sinn für Formenschönheit und Phantasielehen zu nähren und zu 
kräftigen, und so das, was auf den Mittelschulen begonnen, auf einer höheren 
Stufe fortzusetzen und auszubilden, ist auch hier der eigentliche und innerliche 
Theil der Aufgabe. 
Es versteht sich von selbst, dass dazu blosse Worte, kunsthistorische Schil- 
derungen, und seien sie so schön und begeistert wie die Winckelmandschen, 
nicht ausreichen. Es kommt vielmehr darauf an, dem subjectiveu Denken und 
Fühlen die Kraft und Ruhe der Objectivität zu geben. Der mündliche Vortrag 
muss daher so viel wie möglich durch Anschauungen belebt werden. Die Sorge 
für kunsthistorische Sammlungen, mindestens von Gypsabgüssen, Photographien 
und Kupferstichen ist daher, wenigstens in Städten, welche nicht an und für sich 
grosse Museen besitzen, untrennbar von der Anordnung des kunsthistorischen Unter- 
richts. Das Programm des Congresses zeigt durch eine Reihe von sachverständig 
formulirten Fragen, wie sehr die Verfasser desselben von der Wichtigkeit und Dring- 
lichkeit dieser Aufgabe erfüllt sind, und es ist zu hoffen, dass der reiche Schatz 
von Erfahrungen, welchen die Mitglieder des Congresses zur Stelle mitbringen, 
den Anstoss zu wesentlichen Besserungen auf diesem Gebiete geben wird. Es 
giebt nicht viele Städte, in welchen die Liebe der Künste so eingebürgert und 
die Zahl der in öffentlichen Sammlungen und in Privathäusern bewahrten Kunst- 
werke so gross ist wie in Wien, es giebt kaum eine, welche in der PHege un- 
serer Wissenschaft lebendigeren Eifer gezeigt und so rasche Erfolge erlangt hat. 
Möge dieser Segen auch den Berathungen des Congresses zu Theil werden und 
so den Anfang einer neuen Aera begründen. 
Genehmigen Sie, meine Herren, die Versicherung meiner ausgezeichneten 
Hochachtung und erhalten Sie mir lhr collegialisches Wohlwollen. 
Badenweiler im Schwarzwalde, den 27. August t873.' 
Dr. Carl Schnaase. 
An den ersten kunstwissenschaftlichen Con- 
gress zu Wien, zu Händen des Vor- 
sitzenden, des k. k. Hofrathes 
Herrn Dir. Dr. Eitelberger v. Edelberg. 
Die Versammlung behält sich vor, den Inhalt dieses Schreibens bei 
Gelegenheit der Unterrichtsfrage in Betracht zu ziehen und beschliesst, 
dem Danke für diese Begrüssung des Nestors der Kunstwissenschaft durch 
folgendes Telegramm Ausdruck zu geben: 
"Obertribunalsrath Schnaase. Badenweiler, Baden. Der erste kunst- 
wissenschaftliche Congress sendet dem Nestor deutscher Kunstwissenschaft 
Dank für seine Zuschrift und verehrungsvollen Grussm
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.