wusst niederschreiben-zu können und was wir bereits durch die Fertig-
keit des Schreibens errungen haben, das wollen wir durch das Zeichnen
und die Fertigkeit im Zeichnen in der Zukunft erreichen. Man soll die
Fertigkeit besitzen, den ganzen immensen Vorrath von Vorstellungen und
Anschauungen, welche der menschliche Geist umfasst, insoferne er sich
in der Fläche darstellen lässt, mit der Sicherheit und mit der Leichtig-
keit, mit der wir schreiben, darstellen zu können. Ich habe die feste
Ueberzeugung, dass diese Anschauung durchdringen wird, wie sie zu
Aristoteles' Zeiten durchgedrungen ist, und dass man es zu einer gewissen
Zeit nicht wird begreifen können, wie man der Jugend die Erwerbung eines
so wichtigen Hilfsmittels zur Förderung der verschiedensten Lebenszwecke
einmal hat entziehen können. Dass man rnit einer solchen Sicherheit von
den Folgen sprechen kann, die sich an die Erwerbung der Fertigkeit des
Zeichnens anknüpfen, ist mit wenigen Worten zu erklären.
Das Zeichnen ist keine Erfindung einesl einzelnen Menschen, sondern
es ist durch Organisation unseres Auges, durch die Grundsätze der Raum-
lehre, wie eine ewige Wahrheit gegeben, die wohl missverstanden werden
kann, aber in ihren Grundlagen nicht zu verändern ist. Es gibt nur eine
Art richtig zu zeichnen, wie_ es nur eine Art zu sehen gibt. Auf diese
grossen und ewigen Gesetze der menschlichen Natur, auf die ewigen
Grundlagen der Raumlehre beruht das Zeichnen, jenes Zeichnen, welches
uns die Fertigkeit und das Verständniss gibt, Gegenstände in einer Fläche
richtig darzustellen, oder Vorstellungen von Gegenständen, die wir in
unserem Geiste tragen. Und die Grundsätze waren es vorzugsweise,
welche im verflossenen Jahre bei Berathung der Reform des Zeichen-
unterrichtes allen Mitgliedern als Leitstern gedient haben, und über welche
eigentlich kein Zweifel und unter den Fachmännern keine MeinungsdiBe-
renz obwaltete. Mit Vergnügen erinnere ich mich dieser Einmüthigkeit
in der Grundanschauung der fachmännischen Commission, und ich fühle
mich verpflichtet, dankend jene Männer zu nennen, die, wie Prof. Gran-
dauer, Hofbauer, Director der Bürgerschule, Prof. Storck und ins-
besondere Regierungsrath Director Walser, dazu beigetragen haben,
diesen Grundsätzen in das neue österreichische Lehrsystem Eingang zu
verschaffen.
Aber allerdings darf man nicht verkennen, dass der Einführung
rationeller Methoden im Zeichenunterrichte nicht blos äussere Hinder-
nisse in dem Weg stehen, sondern, dass man auch mit Vorurtheilen zu
kämpfen hat; und dass man Zeit, Geduld, Ruhe und Ausdauer brauchen
wird, um auf diesem Felde zu erwünschten Resultaten zu gelangen.
Vorerst hat das Verwechseln der ästhetischen und der di-
dactischen Aufgabe beim Zeichenunterricht eine Reihe von Schäden
im Gefolge und verdient daher diese vielfach auftretende Erscheinung etwas
beleuchtet zu werden.
Eine der ersten Consequenzen dieser Verwechslung ist, dass man