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wählt sein, dass sie geeignet sind, das Lehren des Zeichnens selbst zu
ermöglichen, die verschiedenen Mittel und Werkzeuge kennen zu lernen,
die verschiedenenVerfahrungs- und Darstellungsweisen in jener stufenweisen
Reihenfolge, die nöthig ist, um die Körperwelt so zu erfassen, dass
man sie mit Sicherheit wiedergeben kann, so ist das Object selbst,
nach welchem gezeichnet wird, ein Gegenstand, auf welchen der Zeichen-
unterricht ein Gewicht legen muss. Dass der Gegenstand als solcher
das sittliche Gefühl nicht beleidigen darf, ist selbstverständlich; aber
ebenso selbstverständlich, wenn auch nicht immer beachtet, ist die Forde-
rung, dass der Gegenstand als solcher beim Unterrichte klar gemacht werde,
dass, wenn ein Ornament oder sonst ein architektonischer Bestandtheil
gezeichnet wird, oder ein Gefäss oder ein Theil eines Gefässes, immer mit
Deutlichkeit gesagt werde, welcher Stylrichtung, welcher Zeit, welchem
Künstler der Gegenstand angehört, in welchem Materiale das Original sei,
an welchem Orte er sich befinde u. s. f. Auf diese Weise wird der Zeichen-
unterricht auch durch den Gegenstand belehrend und künstlerisch bil-
dend, ohne dass dabei an den Lehrer die Anforderung gestellt wird, eine
ästhetische Theorie oder ein kunstgeschichlliches System zu entwickeln.
Denn zur Theorie und zum System ist es in der Zeit, in welcher man
noch die Fertigkeit des Zeichnens zu erlernen hat, viel zu früh. Was
wirklich im System und Theorie, was grosse künstlerische Wahrheit ist,
versteht der Jüngling noch nicht. Was aber -bei einer Methode, welche
solche Verkehrtheiten anstreben würde, haften bleibt, ist die Phrase, und
nichts ist für eine wirklich ästhetische und künstlerische Bildung gefähr-
licher und verderblicher als die Phrase. Sie ist in unseren Zeiten eines
der Hindernisse in der Geschmacksbildung; allerdings ist sie nicht blos auf
diesem Felde zu Hause; diese Modekrankheit steht mit anderen Strö-
mungen der Zeit im Zusammenhange. Durch das Häufen von Lehrgegen-
Ständen in Mittelschulen wird vielfach der wissenschaftliche, wie der künst-
lerischeFortschritt gehemmt. Nach absolvirter Mittelschule, nachdem Schüler
derselben ein Dutzend von Gegenständen gelernt haben, bilden nicht wenige
sich ein, Architekten, Physiker und Chemiker zu sein. Sechs Monate haben
sie zur Lectüre eines kunstgeschichtlichen Handbuches verwendet, und
schon reden sie über die Antike, über die Renaissance, ganz wie es im
Buche steht, ohne sich je mit den Werken selbst ernstlich beschäftigt zu
haben, und ohne auf dem Punkte der Bildung zu sein, über diese Dinge
ein Urtheil zu haben. Sie bilden sich ein, fertige Zeichner zu sein, ohne über
die ersten Elemente hinaus zu sein, und reden über den Styl, als 0b das
Verstehen und Kennen des Styles Knaben- und Jünglingsarbeit wäre. Die
grösste Gefahr aber im Zeichenunterrichte ist das Ueberhasten, welches nicht
nur dadurch gefördert wird, dass dem Zeichenunterrichte zu wenig Zeit ge-
gönnt wird, sondern auch dadurch, dass man glaubt, gewisse Mittelstufen
im Zeichenunterrichte überspringen zu können. Da heisst es oft, das