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hervorragt, das dort genial Hingeworfene zum vollen Ausdruck gebracht;
eine Geschichte der deutschen, überhaupt mittelalterlichen
Kunst ist zuerst von den SchlegeYs und von Schelling gedacht und
auch in Vorlesungen behandelt worden. Damit war das wichtige Mittel-
glied gefunden, welches die antike Kunst und die bis dahin allein noch
anerkannte italienische des sechzehnten Jahrhunderts verband, es war da-
mit zugleich die künstlerische Anlage der germanischen Nationen wie
die Vertiefung der Kunstideen durch das Christenthum erkannt und
damit für unser modernes Empfinden eine oft nur unbewusst wirkende,
teichströmende, wichtige Quelle entdeckt worden.
Wir gedenken gerne daran, dass in dieser Stadt die erste wichtige
Sammlung altdeutscher Bilder aufgestellt ward und ihre liebenswürdigen
Sammler, die Gebrüder Boisseree, um sich damals einen Kreis aus der
akademischen Lehrer- und Schülerwelt sammelten, dass die Miniaturen
unserer neu gewonnenen Handschriften einem Waagen und Kugler eine
Hauptanregung ihrer kunsthistorischen Studien gewährten, dass gleichzeitig
hier die altitalienische Kirchenmusik auf deutschem Boden durch einen
Thibaut ihre Auferstehung feierte.
Eine wahre allgemeine Kunstgeschichte ist durch die Läuterung dieser
oft gährenden, überschwänglichen jugendlichen Kunstbegeisterung und
durch ihre Verbindung mit dem strengen Ernste historischer Forschung,
die uns ein Fr. v. Rum ohr zuerst gezeigt, und einer philosophischen
Weltanschauung, welche in Hegel vor Allem sich der Beobachtung der
geschichtlichen Gesetze zuwandte, hervorgegangen. Berlin ward vor mehr
denn 30 Jahren der Ausgangspunkt für Vorträge allgemeiner Kunst-
geschichte gleichzeitig mit dem von Friedrich Wilhelm IV. in's
Werk gesetzten grossartigen Plane des neuen Museums, der umfassendsten
kunst- und culturgeschichtlichen Sammlung der neueren Zeit. Langsam
doch stetig hat dieses Fach sich eine Stelle unter den akademischen Vor-
lesungen erkämpft, wie es ausserhalb der Universität in Schrift und Vor-
trägen von dem lebendigsten Interesse der ganzen gebildeten Welt
getragen wird.
Heute steht die Kunstgeschichte nächst der Literaturgeschichte
geradezu in dem Vordergrund unserer allgemeinen bildenden Studien, aber
noch sind erst nur tlie Lineamente gezogen für den stattlichen Bau, der
sich zu einer wahren Kunst- und Culturgeschichte der Menschheit erhe-
ben wird. Es war ein bedeutsames Zeichen der Zeit, dass der Redner,
welcher die Weihrede über die neueröffnete Universität Strassburg gespro-
chen, der Professor der Kunstgeschichte war.
Wir stehen am Schlusse unseres raschen historischen Ueberblickes
von neuem unserem Thema gegenüber, aber ich denke bereichert durch
das Bild jenes unauflöslichen Bandes zwischen Kunst und Wissenschaft,
durch die Erkenntniss der Thatsache, dass die Epochen unseres Universi-
tätslebens auf merkwürdige Weise zusammenfallen mit dem Eintreten