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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 101)

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hervorragt, das dort genial Hingeworfene zum vollen Ausdruck gebracht; 
eine Geschichte der deutschen, überhaupt mittelalterlichen 
Kunst ist zuerst von den SchlegeYs und von Schelling gedacht und 
auch in Vorlesungen behandelt worden. Damit war das wichtige Mittel- 
glied gefunden, welches die antike Kunst und die bis dahin allein noch 
anerkannte italienische des sechzehnten Jahrhunderts verband, es war da- 
mit zugleich die künstlerische Anlage der germanischen Nationen wie 
die Vertiefung der Kunstideen durch das Christenthum erkannt und 
damit für unser modernes Empfinden eine oft nur unbewusst wirkende, 
teichströmende, wichtige Quelle entdeckt worden. 
Wir gedenken gerne daran, dass in dieser Stadt die erste wichtige 
Sammlung altdeutscher Bilder aufgestellt ward und ihre liebenswürdigen 
Sammler, die Gebrüder Boisseree, um sich damals einen Kreis aus der 
akademischen Lehrer- und Schülerwelt sammelten, dass die Miniaturen 
unserer neu gewonnenen Handschriften einem Waagen und Kugler eine 
Hauptanregung ihrer kunsthistorischen Studien gewährten, dass gleichzeitig 
hier die altitalienische Kirchenmusik auf deutschem Boden durch einen 
Thibaut ihre Auferstehung feierte. 
Eine wahre allgemeine Kunstgeschichte ist durch die Läuterung dieser 
oft gährenden, überschwänglichen jugendlichen Kunstbegeisterung und 
durch ihre Verbindung mit dem strengen Ernste historischer Forschung, 
die uns ein Fr. v. Rum ohr zuerst gezeigt, und einer philosophischen 
Weltanschauung, welche in Hegel vor Allem sich der Beobachtung der 
geschichtlichen Gesetze zuwandte, hervorgegangen. Berlin ward vor mehr 
denn 30 Jahren der Ausgangspunkt für Vorträge allgemeiner Kunst- 
geschichte gleichzeitig mit dem von Friedrich Wilhelm IV. in's 
Werk gesetzten grossartigen Plane des neuen Museums, der umfassendsten 
kunst- und culturgeschichtlichen Sammlung der neueren Zeit. Langsam 
doch stetig hat dieses Fach sich eine Stelle unter den akademischen Vor- 
lesungen erkämpft, wie es ausserhalb der Universität in Schrift und Vor- 
trägen von dem lebendigsten Interesse der ganzen gebildeten Welt 
getragen wird. 
Heute steht die Kunstgeschichte nächst der Literaturgeschichte 
geradezu in dem Vordergrund unserer allgemeinen bildenden Studien, aber 
noch sind erst nur tlie Lineamente gezogen für den stattlichen Bau, der 
sich zu einer wahren Kunst- und Culturgeschichte der Menschheit erhe- 
ben wird. Es war ein bedeutsames Zeichen der Zeit, dass der Redner, 
welcher die Weihrede über die neueröffnete Universität Strassburg gespro- 
chen, der Professor der Kunstgeschichte war. 
Wir stehen am Schlusse unseres raschen historischen Ueberblickes 
von neuem unserem Thema gegenüber, aber ich denke bereichert durch 
das Bild jenes unauflöslichen Bandes zwischen Kunst und Wissenschaft, 
durch die Erkenntniss der Thatsache, dass die Epochen unseres Universi- 
tätslebens auf merkwürdige Weise zusammenfallen mit dem Eintreten
	        
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