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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 221)

selig von den Copien englischer und französischer Muster nährt, ist der 
künstlerische Erlindungsgeist in der südslavischen Hausindustrie so kräftig, 
dass dort fort und fort die interessantesten Muster mit einer außerordent- 
lich harmonischen Farbenstimmung erzeugt werden. Aber auch die Ver- 
zierung einfacher Hausgeräthe, wie Flaschenkürbisse, Stäbe u. dgl. zeigen, 
wie sehr das stylistische _Ornament in Fleisch und Blut der Bewohner 
übergegangen ist. 
Ein maßgebender Factor jedes Gewerbelebens ist die Familie. 
Sie war bis in die neueste Zeit hinein die Trägerin des Gewerbefieißes; 
dieser hat sich von Vater auf Sohn, von Geschlecht; zu Geschlecht, 
durch alle Zeiten fortgepflanzt, von der griechischen bis zur römischen 
Kunst, durch das ganze Mittelalter bis in die Renaissance hinein. Die 
Form der künstlerischen Tradition war eine verschiedene, je nach den 
socialen Zuständen der Zeit; sachlich macht es keinen Unterschied, 0b 
wie bei den Griechen und Römern die Sclaven, später die Gesellen und 
andere nicht zum strengsten Kreis der Familie gehörige Personen sich 
an der Hausarbeit betheiligt haben. Wurden doch die griechischen und 
römischen Sclaven ebenso zur Familie gerechnet, wie die bürgerlichen 
Hausarbeiter des Mittelalters und der Renaissance als Familienmitglieder 
betrachtet. Die Gefahr für das bürgerliche Gewerbe wurde erst dann eine 
drohende, als die Familienmitglieder im weitesten Sinne des Wortes dem 
Hause entfremdet worden sind. Denn erst seit jener Zeit wuchs ein 
Arbeiterstand heran, der entfremdet von der Familie nicht in jenen Tu- 
genden aufgewachsen war, welche durch die Familie überhaupt begründet 
werden, der nicht die Traditionen der gewerblichen Technik in sich auf- 
nehmen konnte, besitzlos, familienlos, ja gewissermaßen heimatlos in die 
Welt eingetreten ist. Und diese Gesellschaft ist es, die. heutigen Tages 
den socialistischen Ideen zugänglich ist, diese heimatlose, familienlose 
Gesellschaft von Arbeitern ist es, welche der überwuchernde Capitalisrnus 
als seine Werkzeuge gebraucht, mit ihnen Fabriken gründet und eine 
Massenproduction hervorruft, dadurch den bürgerlichen Gewerbestand 
bedroht und das künstlerische Element im bürgerlichen Handwerk ab- 
schwächt. In allen Erzeugnissen der großen Perioden, die uns als Vor- 
bilder für die künstlerische Thätigkeit dienen, war zwischen den Hand- 
werkserzeugnissen und den eigentlichen Kunstwerken nur ein gradueller 
Unterschied; der Handwerker konnte, wenn er die nöthige Begabung 
hatte, sich selbst zum Künstler aufscbwingen. Seitdem aber die Fabriks- 
production eingetreten ist, wie sie eben geschildert wurde, ist ein solcher 
gradueller Process fast unmöglich geworden, und ebenso ist es unmöglich 
geworden, dass der Fabriksarbeiter sich einem Handwerk als solchem 
anschließen kann. Man hat ferner mit dem Verfall des bürgerlichen Hand- 
werks den Schatz des sittlichen Elements verloren, der durch die Familie 
dem Volke vermittelt wird, und man hat auch die Kunsttraditionen ver- 
loren, welche sich an das bürgerliche Handwerk anschließen. Wenn wir
	        
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