371
industrie erstens erhalten, genährt zu werden verdient, indem so schon der Vortheil des
Geläufigssins einer Technik gewonnen ist; zweitens aber, dass dieses Gewerbe absolut
nothwendig der Veredlung, die Ausübenden künstlerischer Bildung bedürfen, um auf der
Basis der materiellen Geschicklichkeit ihren Werken allgemein bedeutenden Werth zu
verleihen. Die Grödner selber sind zu dieser Einsicht noch nicht gelangt, ihr Ideal ist
nach wie vor der reiche Kaufmann, der als Hnusirerbursche die Heimat verlassen und
mit seinen hölzernen Pudeln und Hnnswnrsten Tausende erworben hat. Diese Vorstellung
hat sich wie die Idee einer aurea aetas in den Köpfen festgesetzt; so lang man daran,
an einer gegenwärtig nicht mehr möglichen Sache hängt, ist kein Aufschwung zu erwaiten.
Es wird auch die gesammte Thiitigkeit des Grödner Gewerbes mehr den Charakter des
Handels, des Geschäftes beibehalten, so lange das Product ihres Fleisses nur Mittel zur
Erreichung jenrs alleinigen Zweckes, der Bereicherung, bleibt und nicht an und für sich,
eigenes Interesse, eigenen Werth in den Augen seiner Erzeuge-r gewinnt, mit anderen
Worten, bis es aus der Handelswsare kunstgewerblicbe Schöpfung geworden. Erst wenn
es gelingt, den Leuten solche Liebe und Achtung gegen ihrer Hände Werk einzudössen,
dass es ihnen nicht gleichgiltiges Fahrieat ist, welches nur der einzigen Bestimmung,
Geld zu VETSCiIäÜCII, zu genügen hat, sobaid sic fühlen, dass auch künstlerische Ehre
durch die Güte und Schönheit derselben zu erstreben ist, nur dann kann das schädliche
Phantom des californischen Crüsus verscheucbt und auf eine neue, veredehe Weise der
Wohlstand in das ileissige Thal zurückgeführt werden. Ein solcher Anstoss kann nur von
Aussen, in systematischer Weise eingeleitet werden.
Daher wurde schon einmal, im Jahre 1821, der Versuch gemacht; i-in begabter
junger Mann aus St. Ulrich, Jakob Sotriüer, wurde auf Anordnung des Kaisers an die
Akademie nach Wien gesendet, wo er im folgenden Jahre die Studien begann, zugleich
sollte er die Drechsler. Bildhauer- und Lackirerwerkstätten besuchen, um daraus
Nutzen für das Gewerbe der Heimat zu ziehen. Aber es leuchtet ein, dass die Erfahrungen,
welche anno 1822 beim Wiener Handwerk, namentlich in kunstindustrieller Hinsicht, zu
holen waren, die guten Grödner auf keinen grünen Zweig bringen konnten, lag jenes ja
doch selber in der allerlraurigsten Weise eben damals darnieder, - worüber hier weiter
kein Wort verloren zu werden braucht. Und anderseits dann die akademische Kunsttheorie
- und Grödeu mit seinen Pudeln und Puppen, eine komische Gesellsuhaftl Es konnte
nicht fehlen, dass die auf soll-her Grundlage 152-1 im Hauptoite des Thales erödnete
Zeichnenschule nicht den geringsten Erfolg und durchaus keine Beliebiheit bei den
Inquilinen hatte. Es war ein kranker Arzt, der da bcordcrt wurde, einen kaum schlim-
meren Patienten zu heilen. ln Folge dessen vernahm Lewald das unerfreuliche Urtheil
aus dein Munde der alten Schnirzler: „Wer sie nicht im Kopfe habe, werde ihre Kunst
nie lernen. So haben es ihre Eltern auch schon gemacht, und sie machten es eben so,
und die Jungen, die jetzt zeichnen lernten, machten es auch nicht besser."
So traurig solche Aeusserungen eines dumpfen, fortschrittfeindlichen Geistes
klingen, so betrübend es erscheint, dass die Verblendeten die Absicht der Helfer nicht
erkannten, würdigten und von den wirklichen Resultaten der Anstrengungen nicht zu
unterscheiden vermochten, so tredend wahr ist leider dieses Verdarnmungsurtheil in anderer
Hinsieht. Eine verständnisslos, nach Willkiihr und ohne riicksichtsvolles Eingehen in den
Charakter des Volkes vorgenommene Beeindnssnng wird diesem ewig nutzlos sein, die
akademische Kunstlehre bleibt ihm Caviar mit ihrer classischen Einseitigkeit und ohne
die geringste Ahnung dessen, was des Volkes Bedürfniss ist. Um dieses klar zu erkennen,
müssen Vorbilder aus Kunstperioden entgegengebracht werden, die ehemals gleichfalls
einem gesunden künstlerischen Verlangen entsprochen haben und so werden die zurück-
gedrlingten Keime echter Begabung in ihnen, vom Gleichartigen angezogen, an's Licht
treten, es wird die Wahlverwandtschaft sie vereinigen und wie in einem chemischen Process
die unedlen Elemente durch solchen Einduss ausgeschieden werden. Dann werden die
Grödner nicht mehr in starrer Anhlinglichkeit an urviiterlichen Zopf eine Tugend erblicken.
Das Volk braucht ja nur einmal erkannt zu haben, dass es kein künstlich und ihm
rlithselhait gekochtes Gebräu ist, was ihm gereicht wird, sondern, dass es selber, das
Volk, nur vor Jahrhunderten, aber aus eigener Kraft und Willensfreiheit einmal so und
so schon gearbeitet habe, wie diese neuenealten Muster de. zeigen, die ihm vorgelegt
werden, - und der Stahr ist ihm vom Auge genommen, willig greift es wieder nach
seinem alten, langverkannten Eigenthum und erkennt diese Belehrung als eine Wohlthat,
wie jene ihm aufgezwungen und zuwider war.
Albert llg.