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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1871 / 67)

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industrie erstens erhalten, genährt zu werden verdient, indem so schon der Vortheil des 
Geläufigssins einer Technik gewonnen ist; zweitens aber, dass dieses Gewerbe absolut 
nothwendig der Veredlung, die Ausübenden künstlerischer Bildung bedürfen, um auf der 
Basis der materiellen Geschicklichkeit ihren Werken allgemein bedeutenden Werth zu 
verleihen. Die Grödner selber sind zu dieser Einsicht noch nicht gelangt, ihr Ideal ist 
nach wie vor der reiche Kaufmann, der als Hnusirerbursche die Heimat verlassen und 
mit seinen hölzernen Pudeln und Hnnswnrsten Tausende erworben hat. Diese Vorstellung 
hat sich wie die Idee einer aurea aetas in den Köpfen festgesetzt; so lang man daran, 
an einer gegenwärtig nicht mehr möglichen Sache hängt, ist kein Aufschwung zu erwaiten. 
Es wird auch die gesammte Thiitigkeit des Grödner Gewerbes mehr den Charakter des 
Handels, des Geschäftes beibehalten, so lange das Product ihres Fleisses nur Mittel zur 
Erreichung jenrs alleinigen Zweckes, der Bereicherung, bleibt und nicht an und für sich, 
eigenes Interesse, eigenen Werth in den Augen seiner Erzeuge-r gewinnt, mit anderen 
Worten, bis es aus der Handelswsare kunstgewerblicbe Schöpfung geworden. Erst wenn 
es gelingt, den Leuten solche Liebe und Achtung gegen ihrer Hände Werk einzudössen, 
dass es ihnen nicht gleichgiltiges Fahrieat ist, welches nur der einzigen Bestimmung, 
Geld zu VETSCiIäÜCII, zu genügen hat, sobaid sic fühlen, dass auch künstlerische Ehre 
durch die Güte und Schönheit derselben zu erstreben ist, nur dann kann das schädliche 
Phantom des californischen Crüsus verscheucbt und auf eine neue, veredehe Weise der 
Wohlstand in das ileissige Thal zurückgeführt werden. Ein solcher Anstoss kann nur von 
Aussen, in systematischer Weise eingeleitet werden. 
Daher wurde schon einmal, im Jahre 1821, der Versuch gemacht; i-in begabter 
junger Mann aus St. Ulrich, Jakob Sotriüer, wurde auf Anordnung des Kaisers an die 
Akademie nach Wien gesendet, wo er im folgenden Jahre die Studien begann, zugleich 
sollte er die Drechsler. Bildhauer- und Lackirerwerkstätten besuchen, um daraus 
Nutzen für das Gewerbe der Heimat zu ziehen. Aber es leuchtet ein, dass die Erfahrungen, 
welche anno 1822 beim Wiener Handwerk, namentlich in kunstindustrieller Hinsicht, zu 
holen waren, die guten Grödner auf keinen grünen Zweig bringen konnten, lag jenes ja 
doch selber in der allerlraurigsten Weise eben damals darnieder, - worüber hier weiter 
kein Wort verloren zu werden braucht. Und anderseits dann die akademische Kunsttheorie 
- und Grödeu mit seinen Pudeln und Puppen, eine komische Gesellsuhaftl Es konnte 
nicht fehlen, dass die auf soll-her Grundlage 152-1 im Hauptoite des Thales erödnete 
Zeichnenschule nicht den geringsten Erfolg und durchaus keine Beliebiheit bei den 
Inquilinen hatte. Es war ein kranker Arzt, der da bcordcrt wurde, einen kaum schlim- 
meren Patienten zu heilen. ln Folge dessen vernahm Lewald das unerfreuliche Urtheil 
aus dein Munde der alten Schnirzler: „Wer sie nicht im Kopfe habe, werde ihre Kunst 
nie lernen. So haben es ihre Eltern auch schon gemacht, und sie machten es eben so, 
und die Jungen, die jetzt zeichnen lernten, machten es auch nicht besser." 
So traurig solche Aeusserungen eines dumpfen, fortschrittfeindlichen Geistes 
klingen, so betrübend es erscheint, dass die Verblendeten die Absicht der Helfer nicht 
erkannten, würdigten und von den wirklichen Resultaten der Anstrengungen nicht zu 
unterscheiden vermochten, so tredend wahr ist leider dieses Verdarnmungsurtheil in anderer 
Hinsieht. Eine verständnisslos, nach Willkiihr und ohne riicksichtsvolles Eingehen in den 
Charakter des Volkes vorgenommene Beeindnssnng wird diesem ewig nutzlos sein, die 
akademische Kunstlehre bleibt ihm Caviar mit ihrer classischen Einseitigkeit und ohne 
die geringste Ahnung dessen, was des Volkes Bedürfniss ist. Um dieses klar zu erkennen, 
müssen Vorbilder aus Kunstperioden entgegengebracht werden, die ehemals gleichfalls 
einem gesunden künstlerischen Verlangen entsprochen haben und so werden die zurück- 
gedrlingten Keime echter Begabung in ihnen, vom Gleichartigen angezogen, an's Licht 
treten, es wird die Wahlverwandtschaft sie vereinigen und wie in einem chemischen Process 
die unedlen Elemente durch solchen Einduss ausgeschieden werden. Dann werden die 
Grödner nicht mehr in starrer Anhlinglichkeit an urviiterlichen Zopf eine Tugend erblicken. 
Das Volk braucht ja nur einmal erkannt zu haben, dass es kein künstlich und ihm 
rlithselhait gekochtes Gebräu ist, was ihm gereicht wird, sondern, dass es selber, das 
Volk, nur vor Jahrhunderten, aber aus eigener Kraft und Willensfreiheit einmal so und 
so schon gearbeitet habe, wie diese neuenealten Muster de. zeigen, die ihm vorgelegt 
werden, - und der Stahr ist ihm vom Auge genommen, willig greift es wieder nach 
seinem alten, langverkannten Eigenthum und erkennt diese Belehrung als eine Wohlthat, 
wie jene ihm aufgezwungen und zuwider war. 
Albert llg.
	        
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