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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 91)

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dung wegen Mühe hatten, sich einzurichten. Das Ministerium veranstaltete deshalb und 
um manche an einzelnen Schulen erprobte Einrichtungen auch an den übrigen einzuführen, 
Conferenzen der Directoren und einiger Lehrer, woraus ein gemeinschaftlicher Organisa- 
tionsplan entstand. Diesem entnehmen wir Folgendes: 
Die Baugewerkenschulen sollen durch ihren systematisch geordneten Lehrplan 
denen, welche sich für den rationellen Betrieb eines Baugewerbes vorbereiten wollen, die 
Mittel zur Ausbildung darbieten. Der Unterricht wird in drei hinter einander folgenden 
Winterhalbjahren ertbeilt und vertheilt sich nach den unten abgedruckten Lehrplane. 
Ausserdem wird auch ausserhalb der durch den jedesmaligen Stundenplan festgestellten 
Zeit den Schülern, soweit dies thunlich ist, Gelegenheit zum Fortarbeiten im Zeichnen 
und Entwerfen geboten. Für den dritten (d. i. obersten) Cursus sind mehrere Lehrzweige 
als nur facultative bezeichnet. Da nämlich die meisten Schüler nicht vcrmogen, sämmt- 
liche obligatorische und facultative Lehrgegenstände des dritten Cursus in einem Halb- 
jahre zu bewältigen, so ist es denselben gestattet, zuzeimal den dritten Cursus zu durch- 
laufen und sich das zweitemal ausschliesslich oder doch vorwiegend den Fächern zu 
widmen, in denen sie sich noch nicht gehörig ausgebildet haben. Der Lehrcursus beginnt 
in der Regel in der ersten vollen Woche des Monats October und schliesst kurz vor dem 
Palmsonntage. Ferien finden zu Weihnachten vom 23. December bis zum 6. Januar 
statt. Der Eintritt der Schüler hat mit Beginn des Cursus zu erfolgen und wird nach 
Beginn desselben in der Regel nicht mehr zugelassen. 
Zur Aufnahme in die Baugewerkenschulen ist erforderlich ein Alter von mindestens 
16 Jahren. eine mindestens auf zwei Halbiahre ausgedehnte praktische Beschäftigung in 
einem Baugewerbe, ein Zeugniss über gutes Verhalten und - beim Eintritt in den ersten 
(untersten) Cursus - eine Vorbildung, wie sie als das Ziel der Volksschule festgesetzt 
ist. Erwünscbt ist der vorausgegangene Besuch von Sonntagsschulen, Fortbildungsschulen 
oder einer Vorbereitungsanstalt für Baugewerkenschulen. (Eine solche besteht in Leipzig 
unter Director Burghardt. ln Chemnitz eignet sich, wenigstens nach einer Richtung 
hin, die Gewerbezeichenschule dazu.) Von der Altersbedingung findet eine Dispensation 
nicht statt, doch genügt für Michaelis 1871. zur Aufnahme ein Alter von 15 Jahren, wenn 
die Aspiranten zwei Halbjahre praktisch gearbeitet haben. Die Bedingung der praktischen 
Beschäftigung kann bei denen, welche sich eine bessere Vorbildung erworben haben, auf 
ein halbes Jahr ermässigt werden. 
Früher wurden die Lehrlinge aufgenommen, wenn sie conftrmirt waren und ein 
halbes Jahr praktisch gearbeitet hatten. Es zeigte sich jedoch mehr und mehr, dass vier- 
zehnjährige Knaben noch nicht den rechten Ernst, und solche, welche noch zu wenig in 
der Praxis gewesen, nicht das rechte Verständniss für einen zweckmässigen Unterricht in 
den Baugewerkenschulen haben, und deshalb hat man - nach Analogie der Werkmeister- 
schule, deren Einrichtungen sich vorzüglich bewahrt haben - die vorstehenden Bestim- 
mungen getroffen. Ueber das 16. Lebensjahr hinauszugehen würde der Militarpßicht wegen 
nicht rathsam sein. 
ln den ersten Cursus können die ohne Prüfung eintreten, welche ein Zeugniss mit 
guten Fortschrittscensuren über den Besuch der dritten (oder einer höheren) Classe einer 
Realschule erster Ordnung oder ein die gleiche Ausbildung bedeutendes Zeugniss einer 
andern öffentlichen Bildungsanstalt oder die Berechtigung zum einjährigen Freiwilligen- 
dienste beibringen. Die übrigen Angemeldeten haben einer Aufnahmeprüfung beizuwohnen, 
welche unmittelbar vor Beginn des Curses abgehalten wird und sich auf das Ziel der 
Volksschule, namentlich aber auf deutsche Sprache und Rechnen erstreckt. Dabei sei be- 
merkt, dass allerdings sehr viele Landschulen, auch mitunter Stadtscbulen, das Ziel nicht 
erreichen, was hier angenommen werden muss, und desshalb ist es Bangewerkenlehr- 
lingen, welche wenig Uebung im Schreiben, keine Sicherheit in Orthographie und Rechnen 
haben, nicht dringend genug anzurathen, dass sie im Alter von t4--t6 Jahren fieissig die 
Lücken ihrer Schulbildung ausfüllen. ln zwei Wintern kann bei regem Streben viel ge- 
schehen. Wer das nicht beachtet, lauft Gefahr, abgewiesen zu werden, denn bei der Auf- 
nahme haben von den Geprüften diejenigen den Vorrang, welche besser vorgebildet sind. 
Solchen, welche sich für einen andern Beruf als den der Baugewerken vorbereiten 
wollen, kann ausnahmsweise, sofern dies der Raum gestattet und sie den sonstigen Aufnahme- 
bedingungen entsprechen, der Besuch einzelner Lehrzweige gestattet werden. Dispeuaationen 
von einzelnen Lehrzweigen sind nur bei solchen zulässig, die sich in den fraglichen Lehr- 
zweigen bereits eine genügende Ausbildung erworben haben. Jeder Aufzunehmcnde hat 
handschlaglich ein gesittetes Verhalten in und ausser der Schule, Gehorsam gegen den 
Director und die Lehrer, Pünktlichkeit und Regelmässiglteit beim Besuche der Lectionen, 
angestrengten Fleiss, schonende Benutzung der Lehrmittel und Befolgung aller in Bezug 
auf die Schule erlassenen Vorschriften anzugeloben. Wer diesem Angelobnisse nicht nach- 
kommt und durch Verweise von den Lehrern, dem Director und der Lehrerconferenz 
nicht zu bessern ist, wird von der Schule weggewiesen und hat nur Anspruch auf ein 
Zeugniss, in Welchem der Grund seiner Wegweisung angegeben ist. Wer ohne Entschul-
	        
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