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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 99)

Ein Festgeschenk für Architekten, Künstler, Kunstfreunde und 
Angehörige aller Kunstgewerhe. 
Im Verlage von PAUL XEFF in Stuttgart nrsrähvint soeben und ist (iurvh alle 
Buch- und Kunsthnndiimgen des In- nnd Ausizunles zu iwzieheil: 
RACINET. eine 
HisiunisJn-ptnßiisdne Snmmfung 
veröFfentlicht, unter der Leitung von 
Polychrome e Ornament. M! A-  
Min crklärenndenn Beschreibungen 
HUNDERT TAFELN und einer allgemeinen Einleitung. 
ÄMQ, __. 
Das 
Gold-, Silber- und Farben-Druck, In das Deutsche ubergragen 
R. REINHARDT. 
Arrhitekt u. 2M. um K. Pnlylerlovniknlnl e" wueegurr. 
Etwa 2000 Motive aller Stylartenn enthaltend : 
fmTnKE UND pRlENTALlSCHE ßuNsT, MITTELALTER. 
I ' ' Unter Mitwirkung von 
Renaissance, XVII. und XVIII. Jahrhundert. A_ Mecklenburg, Architekt 
 
(lomplet in 50 rasch auf einander folgenden Lieferungen a 24 Sgr. f l il. '34 kr. rheina 
 
Dieses Werk hat sogleich bei seinem Erscheinen in Frankreich ausserordentliches Aufsehen erregt, was 
aus dem bisherigen Absatz von sechs Tausend Exemplaren wohl zur Genüge hervorgeht. Die Deutsche Ausgabe 
ist in ieder Beziehung der französischen Original-Ausgabe ebenbürtig; denn sämmtliche Tafeln sind nicht etwa 
durch Ueberdruck, sondern von den Original-Platten selbst abgedruckt, und auch der deutsche Text ist mit der 
grllssten Sorgfalt und Gründlichkeit hergestellt worden. 
 
Q Ans den uns vorliegenden überaus günstigen Urtheilen der Presse heben wir nur die im Moniteur universel 
erschienene, ganz objectiv gehaltene Kritik hervor, welche in schlagend-er und doch Alles zusammenfassender Kürze 
sowohl Zweck und Bedeutung des Werkestals die nnübertroffcm künstlerisch-technische Ausführung desselheiildarlegt, 
Nloniteur universel Nro. 352: sUOrnement Poly- 
chromer von Racinet ist eine prachtvolle Sammlung von 
100 Blättern in Farbendruck, welche über 2000 Motive 
(von Ornamenten) enthält: ein wahres Fest für das Auge, 
tür das Kunstgewerb eine unerschöpfliche Fundgrube. 
In diesem pittoresken Kaleidoskop liegt eine Welt von 
Gedanken und Phautasieen. welche durch den Zauber der 
Kunst festgehalten sind. 
Die Arabeske spielt in der Kunst eine ganz ähn- 
liche Rolle, wie die Pdanzenwelt in der Natur. Sie ver- , 
kleidet unsere Bauwerke, sie umrankt unsere Zimmerge- 
räthe, sie hängt sich un1 unsere Gefässe, sie verbrämt 
unsere Gewebe. Frei und fessellos, unbestimmbar und 
wechselvoll ist die Arabeske gleichsam der Pantheismns in l 
der Kunst. Ihre unverwüstlichen Triebe und Zweige lassen l 
sich in dem Werke von Raciuet durch alle Jahrhunderte 
verfolgen. In Egypten taucht das Ornament auf in 
symbolischen: Ernst, cs erscheint auf den Profilen der , 
Hieroglyphen, welche Papyrusblättcr und Stcinwände be- i 
decken, in unübertroffener, gedrungener Feinheit undi 
Correktheit. i 
Griechenland gestaltet es, entsprechend seinem i 
Genius, ebenso edel als schmiegsam, ebenso rein wie sinn- 
voll, mannigfaltig ohne Ueberladung und reich ohne ' 
Uebermass. Da winden sich die Irrgänge der Mäander, 1 
da sprossen die Akanthusblätter, die Palmetten von Lor- 
beer und von Aloe, da hängen die Perlensohnüre, ja 
sogar die Haardechten ihrer Frauen. 
In Rom bleibt das Ornament griechisch, aber es artet 
aus, verirrt und verwirrt sich auf dem Felde der Mosaik. ; 
In Asien jedoch erreicht es seine volle Entwick- 
lung. Eine schrankenlose Phantasie waltet in den Deko- 
rationen der Schinesen: da gibt es weder Regel noch 
Kompass mehr; die Flüsse münden in die Wolken und 
die Banme wachsen in den Himmel. Kein Botaniker 
vermochte die chimarische Flora zu bestimmen, welche 
Schina's Lack- und Porzellangefässe verziert. Wellen und 
Muscheln, Vögel und Pagoden, Drachen und andere Fabel- 
gebilde drängen und stossen einander, wie die wechseln- 
den Gestalten eines Traumes. Aber die Leichtigkeit der 
1 Zeichnung, das unendliche Spiel der Formen, die Feinheit 
und der Glanz der wie für einen Blnmenstrauss zusammen- 
gestimmten Farbentöne bringen doch in all diese Unord- 
nung den Zauber der Harmonie. 
Ostindien breitet auf lückenloser Flüche seine reichen 
Verzierungen aus: eintönig, farbenglühend und formenweich. 
Die' Araber, bei welchen durch die Vorschrift des 
' Koran (du sollst dir keine Bilder machen) die Natur 
ausgeschlossen ist, halten fest an einer idealen Raum- 
theilung. Da sind weder Menschen- noch Thiergestalten, 
die Pflanzen sogar sind ausgemerzt: nichts als Linien, 
1 bald so, bald so verschlungen, gebrochen, gekreuzt; aber 
' mit diesen Formgeweben thun sie Wunder. 
Manchmal 
setzt auch die arabische Schrift ihre zierlich geschlunge- 
nen Zeichen an die Arabesken und an die Mauern, die 
Basreliefs tönen Rede und Gesang. Die ganze Alhambra , 
ist eigentlich eine (gebaute Dichtnngv. 
Das weniger strenge Persien streut Blumen in 
Fülle über die abstrakten Zierformen der Araber; sogar 
fabelhafte Thiergebilde werden eingeführt.
	        
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